Im Ersten Kreuzzug (1095–1099) belagerten die Kreuzritter aus dem christlichen Europa das strategisch wichtige Antiochia, das den Christen den Weg ins Heilige Land versperrte und für die Versorgung wichtig werden würde. Dieser Fakt war den Muslimen genauso bekannt wie den Christen. Die Belagerung sollte über ein halbes Jahr dauern. Das Heer der Europäer erreichte Antiochia am 20. Oktober 1097 und konnte am 3. Juni 1098 in die Stadt einmarschieren. Der Erfolg war aber keineswegs garantiert.
Die Befestigungen der Stadt waren das, was man wohl „uneinnehmbar“ nennen konnte. Zudem war die Stadt umringt von einer 10 Meter hohen Mauer, die gesichert wurde von 400 Türmen in gegenseitiger Bogenreichweite. Auf dem 330 Meter hohen Berg Silpius stand die Zitadelle der Stadt, und außerhalb im Norden befand sich der Fluss Orontes, der ein Sumpfgebiet bewässerte.
Der byzantinische Gesandte Tatikios schlug vor, die Belagerung aus der Ferne von der 20 km entfernten Festung Baghras zu führen. Die Kreuzritter hingegen wollten ihre Truppen unbedingt zusammenhalten und entschlossen sich zu einer direkten Umringung der Stadt.
Im November führten die Verteidiger immer wieder Ausfälle über den Fluss durch, um die Furiere (Soldaten, die Nachschub auftreiben sollten) der Kreuzritter anzugreifen. Damit sie dagegen vorgehen konnten, errichteten die Kreuzfahrer zügig eine Brücke. Trotz der Bekämpfung der Ausfälle, der Abwehr eines Entsatzheeres und eines Überfalls auf Aleppo wurde die Versorgungslage zunehmend kritisch.
Die Lebensmittel werden knapp
Die Preise für Lebensmittel stiegen raketenhaft, sodass viele ärmere Kreuzfahrer verhungerten und viele Pferde zugrunde gingen. Am Ende waren gerade noch 1000 Pferde zu gebrauchen. Glücklicherweise konnten die Kreuzritter im Februar einen Angriff abwehren, bei dem sie zwischen einem Entsatzheer und den Verteidigern eingekesselt wurden. Dabei erbeuteten sie viele dringend benötigte Pferde. (Mehr zur mittelalterlichen Logistik hier: link)
Erst im März verbesserte sich die Lage, als im Hafen von St. Simeon, gut 25 Kilometer entfernt am Meer, die ersten Nachschubschiffe eintrafen. Den Kreuzrittern gelang es, auch der antiochenischen Kavallerie einen Verlust von fast 1500 Mann zuzufügen, als diese ausritt, um den Nachschub abzuschneiden.
Nun ging es für die Kreuzritter bergauf. Sie errichteten mehrere Belagerungstürme und bezogen gegenüber der Brücke nach St. Simeon die Moschee, welche sie unter anderem mit Grabsteinen von den muslimischen Friedhöfen befestigten und wo sie Türme errichteten. Wenig später befestigten sie das Kloster von St. Georg, sodass die Kreuzritter nun zusammen mit der eigens errichteten Trutzburg Malregard über Befestigungen in alle Richtungen verfügten. Damit konnten sie Nachschub in die Stadt abschneiden und ihre eigene Versorgung von der Küste sicherstellen.
Es gelang den Kreuzrittern in Geheimverhandlungen zwischen einem armenischen Christen und Bohemond, den Armenier zum Verrat zu überreden. In der Nacht vom 2. Juni ließ man die Kreuzritter durch einen der Türme in die Stadt eindringen. Bei ihrem Wüten in der Stadt brachen großflächig Feuer aus.
Der Erfolg währte nicht lange, denn der Kalif von Bagdad hatte eine Armee entsandt, welche nur drei Tage später eintraf und die Kreuzritter in der ausgebrannten Stadt einschloss. Am 8. Juni eroberten die Muslime zudem ihre Moschee zurück und kontrollierten somit den Weg nach St. Simeon. Einige Anführer der Kreuzritter machten sich heimlich davon, aber die meisten mussten eingeschlossen in der hungernden Stadt auf ein Wunder hoffen.
Dieses Wunder kam in Form der „Heiligen Lanze von Antiochia“, welche angeblich in der Kathedrale von St. Peter gefunden wurde. Bereits die Zeitgenossen kamen zum Schluss, dass es eine Fälschung sein musste, aber erst einmal reichte es, um die Moral der Kreuzfahrer so zu heben, dass ihr Ausfall am 28. Juni unerwarteten Erfolg zeigte. Hilfreich war dabei, dass die syrischen Emire und der General des Kalifen einander nicht vertrauten und schlecht organisiert waren, als der unerwartete Ausfall kam. Die Muslime zündeten das Grasland an, um ihre Flucht zu decken.
Am Ende gingen die Kreuzritter siegreich aus der Belagerung von Antiochia hervor. Ob tatsächlich eine Heerschar weißer Ritter unter Führung der Heiligen Georg und Demetrius von Alexandria erschienen sind, wie die Kreuzritter später behaupteten, darf aber angezweifelt werden.
„Geschichtskrümel“ ist eine wöchentlich erscheinende Serie aus Kurzartikeln. Sie soll Spielern und Spielleitern als Anregung dienen und Inspiration fürs Rollenspiel bieten. Die Geschichtskrümel drehen sich um historische Ereignisse oder Themen, über die ich in meinem Alltag stolpere. Sie sind manchmal lehrreich, manchmal skurril und manchmal einfach nur lustig.
Quelle: Hooper, Nicholas, und Bennett, Matthew. The Cambridge Illustrated Atlas of Warfare. The Middle Ages, 768–1487. London: Cambridge University Press, 1996.