Im letzten Artikel habe ich einiges über Zombies geschrieben, ohne aber definiert zu haben, was so ein Zombie überhaupt ist und was er vielleicht kann. Die genaue Natur der Untoten beeinflusst schließlich stark den Stil des Spiels. Die Zombies aus 28 Days Later, The Last of Us, The Walking Dead, Sugar Hill und Mass Effect verhalten sich vollkommen unterschiedlich. Sie führen daher auch zu unterschiedlichen Spielstilen und, wenn man so will, unterschiedlichen Welten oder Settings.
Chemische Zombies
Der chemische Zombie ist, genau genommen, der reale Zombie. Der echte Zombie. Zumindest, wenn man die haitianische Voodoo-Mythologie glaubt. Ein echter, lebender Mensch wird durch eine Kombination aus Giften, psychologischer Manipulation und Schock in einen Zustand versetzt, in dem er glaubt, er wäre tot, und in dem er einer anderen Person hörig wird.
Eine andere Variante des chemischen Zombies ist ein Mensch, der durch die unplanmäßige Wirkung von Chemikalien zur geistlosen Bestie wird. Real passiert so etwas nicht zufällig, aber die Einnahme bestimmter Drogen kann einen Menschen in einen Zustand versetzen, wo der Unterschied zum chemischen Zombie mehr eine Frage der Ethik ist als des Verhaltens und der Möglichkeiten.
Lebendig, nicht tot!
Chemische Zombies haben alle grundsätzlichen Fähigkeiten eines normalen Menschen und auch alle Bedürfnisse. Sie müssen essen und trinken, oder sie werden schwächer und sterben. Sie können stärker sein, als sie es vor ihrer Zombifizierung waren, wenn die Verwandlung ihre Schmerzwahrnehmung beeinträchtigt hat. Dann können sie Leistungen vollbringen, bei denen sie selbst physischen Schaden nehmen (Muskelrisse, Dehnungen, Gelenkschäden …), es aber nicht merken.
Besonders gefährlich sind chemische Zombies nicht. Sie mögen zwar risikofreudiger sein, weil sie keinen ausgeprägten Selbsterhaltungstrieb mehr haben, aber sie leiden oft auch an neurologischen und psychischen Schäden, wodurch sie träge und stumpfsinnig sind. Alles zusammen ist ein solcher Zombie kaum gefährlicher, als es ein physisch vergleichbarer Mensch mit einem Knüppel wäre.
Kurz: Zombies dieser Art sind eine persönliche Bedrohung, aber sie können weder eine Gemeinschaft ernsthaft bedrohen noch eine Gesellschaft. Wäre es eine praktikable Methode, wütend auf den Feind zuzulaufen und gelegentlich nach „Hirn“ zu verlangen, dann hätten wir das im Verlauf der Jahrtausende zurückreichenden menschlichen Militärgeschichte irgendwo als reale Massenkampftaktik gesehen.
Chemische Zombies haben dramaturgisch das Anhängsel, dass sie eigentlich Personen sind. Solange die völlige Auslöschung der ursprünglichen Persönlichkeit nicht belegt ist, bleibt es ein ethisches Dilemma, diese Form von Zombies zu bekämpfen. Sie mögen eine Bedrohung sein, aber sie sind nach wie vor am Leben. Sie sind eben grade nicht „das Böse“.
Steampunk-Zombies
Alle Arten von Toten, die mit Pseudo- oder Alternativwissenschaft zum Unleben erweckt wurden, fasse ich mal unter Steampunk-Zombies zusammen. Frankensteins Monster kann als Teil dieser Gruppe betrachtet werden, aber genau genommen ist Viktors Kreatur gar kein Untoter, sondern lediglich ein neu zusammengenähter Mensch. Ein hässlicher und psychisch beeinträchtigter Mensch, größer als die meisten, aber dennoch nach modernen, ethischen Gesichtspunkten ein Mensch.
Ein Steampunk-Zombie hingegen ist tatsächlich tot. Vielleicht wurde sein Blut durch Formaldehyd ersetzt, damit er nicht verrottet, und vielleicht ragen Hunderte Drähte aus ihm heraus, damit seine Muskulatur durch die galvanischen Kräfte in Bewegung gehalten werden kann? Auf den Erfahrungen aufgrund von Experimenten, was man nicht alles mit elektrischem Strom erreichen könnte, basierte ja auch die Geschichte von Mary Shelley.
Ein Steampunk-Zombie, gleich, ob er nun durch Strom in Bewegung gehalten wird, merkwürdige Cocktails chemischer Substanzen benötigt oder durch sonstige Weird-Science in Betrieb gehalten wird, ist nichtsdestotrotz ein toter Körper. Mit jedem Verschleiß, den er erleidet, verfällt er ein wenig mehr. Die Gelenke und Muskeln nutzen sich ab, die Haut reißt auf, die Augen trocknen aus. All dem muss irgendwie entgegengewirkt werden, aber dieses Handeln hat, realistisch betrachtet, seine Grenzen.
Spannend an Steampunk-Zombies ist für viele bestimmt vor allem der Horror-Aspekt. Die Perversion menschlichen Lebens, die wahnhafte Ambition des verantwortlichen Wissenschaftlers.
Magische Zombies
Diese Kategorie schließt die mythologischen und neomythologischen Voodoo-Zombies genauso ein wie jede andere Form von magisch animierten, tatsächlichen Toten. Ob die Seele des ursprünglichen Besitzers des Körpers dabei eine Rolle spielt (sofern es in der jeweiligen Welt überhaupt Seelen gibt), ist eigentlich relativ bedeutungslos.
Magische Zombies haben die gleichen motorischen Möglichkeiten, die auch ein Mensch hatte. Welchen Nutzen sie daraus aber ziehen können, ist von ihrer Intelligenz abhängig. Außerdem sind Einschränkungen möglich, wenn die Leiche nicht mehr taufrisch ist. Das ist aber nicht zwingend so. Magie wirkt in unterschiedlichen Welten auf die verschiedensten Arten, und außerdem könnte es für die Magie auch bedeutungslos sein, in welchem Zustand die Leiche war. Vielleicht produziert ein bestimmter Zauber, oder ein Ritual, Untote, deren tatsächlicher Körper gar keinen Einfluss auf Stärke, Schnelligkeit, Resistenz und Fähigkeiten hat und bei denen die metaphysische Kraft alle physischen Eigenschaften substituiert.
Sorgt die Magie jedoch lediglich dafür, dass der ehemals tote Körper sich, zum Unleben erwacht, überhaupt wieder regt, dann ist zu erwarten, dass seine Fähigkeiten bestenfalls minimal besser sind, als sie es zu Lebzeiten waren, mit der Tendenz dazu, wesentlich schlechter auszufallen.
Eine Besonderheit ist, dass in dieser Auflistung die magischen Zombies zur ersten Gruppe gehören, die sich durch Infektion reproduzieren kann. Chemische Zombies und Steampunk-Zombies sind Wesen aus Zufall oder Schöpfung, aber sie machen niemand anders zu ihresgleichen. Bei magischen Zombies ist diese Möglichkeit zwar keine zwingende Implikation, aber es ist im Rahmen des magisch Möglichen.
Wo kommt die Kraft her?
Eine Frage, die man sich aber stellen sollte, ist die nach der Energiequelle. Ein Körper benötigt Energie, um zu denken und zu handeln. Wenn diese Kraft aus der Magie kommt, wie verhält es sich mit dem Energieerhaltungssatz? Woher stammt die magische Kraft ursprünglich? Und ist sie endlich? Muss sie konstant nachgeliefert werden? Dem Universum ist schließlich jedwede Form von Energieerzeugung zuwider. Energie wird umgewandelt und so aus Dingen gewonnen, aber niemals erzeugt. Zudem ist es eine interessante Frage für die Spieler, wenn sie gegen die Zombies angehen müssen.
Viren-Zombies
Dies ist der klassische Zombie, wie wir ihn in den meisten modernen Serien und Filmen sehen. Irgendeine Form von Seuche bricht aus, und sie verbreitet sich von Opfer zu Opfer. Da diese Opfer zu Zombies werden, bedeutet dies, dass das Virus sich von Zombies auf Menschen überträgt.
Allen Viren-Zombies ist gemein, dass sie im Grunde Menschen sind bzw. waren. Von den ethischen Implikationen einmal abgesehen, bedeutet dies, dass die uns bekannten Grundbedürfnisse nach wie vor gelten. Ein durch eine Krankheit entstandener Zombie muss trinken, damit sein Körper hydriert bleibt, und essen, damit er Energie für seinen Organismus hat. Wenn er dabei sichtbar verfällt, können wir annehmen, dass es um seine Gesundheit nicht gut bestellt ist. Wem die Haut in Fetzen hängt, der trocknet schnell aus, wird von Bakterien und Ungeziefer angefressen und hat vermutlich auch seine liebe Not mit der Muskulatur und den inneren Organen.
Eigentlich Unsinn
Viren-Zombies mögen die Norm im Zombie-Genre sein, aber sie beweisen auch, weshalb es nicht die Zombies sind, die hier im Vordergrund stehen. Das Konzept dieser Untoten ist nämlich derart widersinnig, dass man lieber überhaupt nicht darüber nachdenkt. Nur weil die Mehrheit der Menschen nicht viel über Anatomie und Organismen nachdenkt, verschwinden die Tatsachen dazu nicht. Hier muss die Spielgruppe den Konsens haben, dass man das ignorieren möchte.
Warum sollten Herden schlurfender Schwachköpfe, die nicht miteinander kommunizieren und keine höheren Fähigkeiten haben, auf einmal zu einer Bedrohung werden? Ein durchschnittlicher Soldat trägt im Gefechtsfall um die 210 Schuss Munition am Mann. Das ist genug, um etwa 70 Untote kaputtzuschießen. Von Maschinengewehren, Handgranaten und schwereren Waffen ganz zu schweigen. Hinzu kommen Waffensysteme wie Helikopter, Flugzeuge und Panzer, die für langsam verfaulende, torkelnde Wutbürger völlig unbesiegbar sind.
Hier bekommt man seine Zombie-Apokalypse nur, wenn es sich um ein Virus mit Luft-Vektor handelt, sodass überall überraschend die Menschen zombifizieren. Also auch im Inneren von Panzern, Bunkern und Flugzeugen. Eine „Hyper-Pandemie“ quasi.
Pilz-Zombies
The Last of Us brachte dem Konzept der Pilz-Zombies große Aufmerksamkeit. Das Gruselige: Es gibt tatsächlich Zombiepilze! Real befallen die nur Kleinsttiere. Vorwiegend Insekten. Ameisen, Fliegen, aber auch größere Tiere wie Raubspinnen. Die Pilze machen leibhaftige Zombies aus ihnen. Sie verändern das Verhalten der befallenen Insekten mitunter massiv, bis hin zu völlig selbstmörderischen Handlungen. Letztendlich verzehren sie das Opfer bei lebendigem Leib und wachsen aus ihm heraus.
Pilz-Zombies sind im Wesentlichen keine Untoten. Sie verwesen nicht, zumindest nicht von Anfang an. Wenn sie das täten, würden sie ihre motorischen Fähigkeiten verlieren. Der Pilz verändert und zerstört aber den Geist des Opfers, sein Gehirn und sein Nervengewebe. Erst wenn der Pilz so weit ist, Fruchtkörper auszubilden und Sporen zu produzieren, hat der Wirt seinen Zweck erfüllt und kann verenden.
Langsam, aber sicher dem Wahnsinn entgegen
Es ist völlig plausibel, dass die Betroffenen über mehrere Stadien hinweg zunehmend wahnsinnig und immer aggressiver werden könnten. Der Pilz könnte dabei auch die Hormonproduktion verändern und seinen Wirt stärker und schneller, schmerzunempfindlich und ausdauernder machen. Je weiter aber der Befall fortschreiten würde, desto mehr würde der Wirt den Verstand verlieren, bis er irgendwann stirbt und zur Sporenschleuder für die Pilzkolonie wird.
Bei Pilz-Zombies steht der Body-Horror im Vordergrund. Die Konfrontation mit unserer Furcht, uns selbst und unsere Menschlichkeit Stück für Stück zu verlieren, vielleicht sogar zu spüren und zu erleben, wie es geschieht. Je nach Wunsch können Pilz-Zombies bis zum Ausbruch der Fruchtkörper kaum identifizierbar sein oder aber mit fortschreitender Verwandlung immer groteskere Form annehmen.
Ein bisschen Fantasie schadet hier nicht
Pilz-Zombies können genauso gefährlich sein wie normale Menschen, aber auch andere Extreme sind möglich. Der Pilz könnte die Opfer auch schwächen und durch fortschreitende Vergiftung und Nervenschäden dumm und wirr machen. Genauso gut kann er sie aber auch ungemein stark, widerstandsfähig und aggressiv machen. Sogar exotische Fähigkeiten sind grundsätzlich denkbar, wie etwa neue Sinne (Bewegungssinn durch hochsensible Pilz-Härchen, Wärmesicht durch Veränderungen der Augen …) oder die Fähigkeit, Sporenwolken auszustoßen, Wunden mit Pilzgeflecht zu schließen oder Gift zu spucken.
Realistisch sind solche Dinge aber nicht. Der Pilz-Zombie an sich ist bereits am Rand der Glaubwürdigkeit. Wenn man also das Konzept völlig auf die Spitze treiben möchte, bietet es sich an, den Pilz zumindest aus einem Biowaffenlabor oder aus dem Weltall stammen zu lassen. Dann kann man unterstellen, dass eine bösartige Intelligenz dahintersteckt. Unsere eigene oder eine fremdartige.
Hier ein Video, welches die Pilz-Zombies in The Last of Us beschreibt.
Nano-Zombies!
Wer sie in Mass Effect nicht bereits als das erkannt hat, was sie waren, dem wurde es spätestens im Roman „Leviathan Wakes“ und in der dazugehörigen TV-Serie „The Expanse“ noch einmal nähergebracht.
Im Wesentlichen unterscheidet sich ein Nano-Zombie gar nicht besonders von einem Pilz-Zombie, nur dass er anstelle eines Pilzmyzels von einer Heerschar Nano-Roboter befallen ist. Diese bauen den Körper des Opfers entsprechend ihrer Programmierung um, verändern das Nervengewebe, ersetzen es oder zerstören es. Dabei verwenden sie körpereigenes Gewebe als Baumaterial, weshalb es vermutlich ihr erstes Ziel ist, den Körper ausreichend zu kontrollieren, damit er mehr Baumaterial heranschafft. Besonders Metalle und Kunststoffe sind im menschlichen Körper selten, aber von außen leicht zuzuführen. Ein Nano-Zombie kann in seiner Umwandlung radikal oder subtil sein, schleichend oder schnell. Das hängt davon ab, welchen Entwicklungsgrad man den Nano-Robotern zubilligt.
Cyber-Horror – mit weitreichenden Möglichkeiten
Anders als ein Pilz-Zombie kann sein Nano-Cousin sehr viel weitreichendere Veränderungen durchführen, bis hin zu technologischen. Ein ausfahrbarer Giftdorn ist für einen Pilz weit hergeholt, aber für ein technisches Konstrukt nichts Unmögliches. Solange die Nanobots mit den nötigen Rohstoffen versorgt werden, können sie fast alles im Wirtskörper bauen, was auch als gewöhnliche Cyberware in der Welt realisierbar wäre, ausgenommen Implantate, die Komponenten umfassen, welche bei extremer Hitze verarbeitet werden müssten oder toxische Nebenprodukte haben. Der Nachteil von Produktion in einem lebenden Körper ist, dass man den Körper dabei nicht überhitzen, ausdörren oder vergiften darf.
Tatsächlich wird Nanotechnik, in nahezu jeder Cyberpunkwelt, ein zentraler Teil der cybernetischen Implantologie sein, und vermutlich wären Nano-Zombies dann auch nichts anderes als ganz gewöhnliche Implantations-Naniten, die außer Kontrolle geraten sind. Ob sie das aus sich selbst heraus tun oder ob jemand sie dazu umprogrammieren muss, ist eine Frage für sich, die den Ton der Kampagne bestimmt.
Zusammenfassung
Für eine gute Zombie-Spielrunde im Rollenspiel braucht es die richtigen Zombies. Sie müssen zum gewünschten Stil passen. Daher ist es wichtig, vorher einen Blick auf die verschiedenen Varianten zu werfen.
Chemische Zombies entstehen durch den gezielten oder unbeabsichtigten Einsatz obskurer Chemikalien. Sie sind also Menschen mit schweren neurologischen Schäden.
Steampunk-Zombies sind hingegen Tote oder Sterbende, die mit Pulp-Technologie am Leben erhalten oder zurückgeholt wurden. Seltsame Chemikalien werden von Kolben durch ihre Adern gepumpt, und Drähte verbinden Implantate mit einer chemischen Batterie auf ihrem Rücken.
Magische Zombies sind die vielseitigsten aller Zombies, denn sie basieren auf einer vollkommen realitätsfernen Kraft. Mit Magie ist alles möglich, aber eben auch nur in einer prinzipiell magischen Spielwelt.
Viren-Zombies sind indes die Klassiker. Auch bakterielle Zombies fallen unter diesen Schirm (man könnte auch „Umbrella“ sagen). Viren-Zombies sind keine Untoten, sondern genau genommen sehr langsam sterbende Menschen.
Auch Pilz-Zombies sind Menschen, aber ein Pilz hat weitreichendere Möglichkeiten, seinen Wirt zu verändern, als ein normaler Virus das täte.
Noch einen Schritt weiter gehen Nano-Zombies, denn Naniten können buchstäblich alles, was man dieser Technologie zubilligen will.
Hat dir der Artikel gefallen? Vielleicht möchtest du uns als Dankeschön ja einen Kaffee ausgeben? Wir freuen uns natürlich auch, wenn du stattdessen eine unserer Karten kaufst.