Wie wäre die Geschichte der USA verlaufen, wenn Alexander Hamilton 1804 nicht von seinem politischen Widersacher Aaron Burr in einem Duell erschossen worden wäre, wie es das Titelbild zeigt? Hamilton war einer der führenden Köpfe des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs – und er verlor sein Leben erst Jahre nach dem Krieg. Duelle waren – selbstredend! – gegen das Gesetz. Entsprechend ruderten die beiden Kontrahenten nach New Jersey, um abseits von unerwünschten Zeugen ihren Kampf zu führen. Hamiltons Geschichte ist spätestens seit dem Musical weithin bekannt.
Also! En garde, mon ami! Wobei: Wir haben gar keinen Streit, du und ich. Dann müssen wir uns wohl auch nicht mit Blankwaffen auf dem Feld der Ehre treffen. Meine Fechtkünste lassen mittlerweile zudem auch zu wünschen übrig, schließlich habe ich seit über 15 Jahren keinen Degen mehr in der Hand gehabt. Haus und Hof könnte ich so jedenfalls nicht verteidigen.
Die kämpferische Qualität des Einzelnen war im deutschen Mittelalter und vor allem in der Renaissance bis zur endgültigen Ausformung moderner Nationalstaaten nicht nur ein wichtiger Aspekt der Männlichkeit, sondern auch die letzte Verteidigung der Ehre. Die Ehre wiederum war ein wichtiger Teil des eigenen sozialen Kapitals und bestimmte über Stand, Ansehen und Geschäftserfolg mit. Kaum etwas bringt diese Idee auf den Punkt wie das Duell.
Egal ob John Wayne, Horatio Hornblower oder einsame Pistolenduelle im Wald: Das Duell hat es durch die Massenmedien geschafft, das Symbol für die gewalttätige Verteidigung der Ehre zu werden.
Formale Duelle, die den sehr stark ausformulierten Regeln folgen, welche den meisten geläufig sind, entstammen allerdings der jüngeren Vergangenheit. Das Konzept, die eigene Ehre mit der Waffe zu verteidigen, allerdings nicht. Geht ja auch gar nicht anders. Wir wissen aus den letzten Artikeln, dass Ehre immer auch eingefordert werden muss, sonst hat man sie bald nicht mehr.
Warum Duelle?
Ich habe kein Schwert an meiner Seite. Du vermutlich auch nicht. Auch ist es unüblich, dass bei öffentlichen Streitereien die umstehenden Bürger ihre Dolche ziehen und zum Frieden aufrufen. Ebenso wenig ist es in Deutschland noch gang und gäbe, dass jeder den Hausfrieden bricht, der unaufgefordert das Haus betritt und damit sofort zum Abschuss freigegeben ist. Auch Prangerstrafen sind nicht mehr verbreitet.
Es hat sich also vieles geändert in unserer Vorstellung, wie wir miteinander umgehen. Respekt und Ehre wurden größtenteils ersetzt durch Normen des sozialen Umgangs und vor allem Gesetze. Ehre hat als Idee eigentlich keinen Platz in einer modernen Welt, deren Vorstellungen und Bewertungsgrundlagen sich nach Möglichkeit auf rationale Konzepte und inhaltliche Überprüfbarkeit stützen. Gleichheit beißt sich mit Unterwerfung, die immer auch mit Ehre einhergeht. Ebenso, wie sich unsere Gesellschaft der Regeln und der Systeme von einer Ordnung der persönlichen Beziehungen und Abhängigkeiten abhebt.
In der vormodernen Gesellschaft von Ungleichen gehörten Kampf und Herrschaft dagegen zusammen. Dabei geht es nicht um Anerkennung und Respekt, sondern schlussendlich darum, wer oben steht und wer unten. Die Adelsgesellschaft verfestigte sich irgendwann, aber zu Beginn sah das noch ganz anders aus, und als sie das tat, blieb das Duell als eine der letzten Bastionen altmodischer Adelsehre. Doch ich greife vor.
Das Duell – ein Spiel?
Was wir verstehen müssen, ist, dass der Kampf in Krieg oder Fehde und der bewaffnete Wettkampf nichts miteinander zu tun haben. Sie mögen sich ähnlicher Mittel bedienen, aber ihr Zweck ist unterschiedlich. Zudem kann man Wettkämpfe nicht entgegen den Regeln gewinnen – Kämpfe hingegen schon. (Beim Schummeln nicht erwischt zu werden, lassen wir einfach mal außen vor. Das wird sonst zu kompliziert.)
Den Kampf kann man auf jede Art gewinnen, egal ob fair oder unfair – denn der Feind ist nicht Teil derselben Gruppe. Seine Meinung ist schlicht egal! Am Ende geht es um Herrschaft, Macht, Ressourcen. Man kämpft mit einem Ziel und für einen Zweck.
Beim Kampf als Spiel – also dem Wettkampf – geht es hingegen darum, sich gegenseitig zu messen, sich zu erproben und zu sehen, wer mehr leisten kann. Dabei gibt es Regeln. Er hat keinen schnöden Zweck. Der Sieg ist aber nicht ohne Grund das Ziel, sondern das, was mit dem Sieg einhergeht. Unter anderem eben Ehre und Ansehen. Das Siegen verschafft einem das, was man will – und das ist nicht direkt greifbar.
Kurz: Beim ritterlichen Wettkampf geht es um abstrakte Dinge wie Ruhm, Ehre, das Ideal der Ritterlichkeit, Freigiebigkeit, Herausforderung, Abenteuerlust und Selbstverherrlichung. Nicht um den eigenen Lebensunterhalt, Machtgewinn oder den Erwerb nützlicher Güter.
Rivalen oder Feinde?
In dieser Gesellschaft waren Rivalität und die damit einhergehenden Konflikte Teil der eigenen Weltsicht. Es geht nicht um Ausgleich und Kommunikation – die Konzepte, nach denen wir heute zu leben versuchen. Die Gesellschaft baut auf Rivalitäten und Streit auf. Doch Rivalität ist nicht das Gleiche wie Feindschaft!
Feinde wollen einander bezwingen, unterdrücken und schlimmstenfalls vernichten. Rivalen hingegen sind Teil derselben Ordnung und spielen dasselbe Spiel. Sie ringen um Ehre und ihren Platz in der gemeinsamen Gesellschaft, doch wird der Verlierer nicht aufgezehrt. Dadurch ist bewaffneter Konflikt zwar allgegenwärtig, aber auch zerstreut.
Nach und nach verschwand das Spielerische aus den Kämpfen, welche in archaischen Gesellschaften oftmals mit der Idee des Wettkampfs verschmolzen waren. Kein Soldat würde heute noch seinen Sturmangriff stoppen, nur weil ein feindlicher Offizier herangeritten kommt, um mitten zwischen den Frontlinien ein Duell zu führen.
Das Leben wurde ernst! Kampf und Krieg waren nunmehr ausschließlich zweckmäßig und rational. Sie drehten sich um Land, Kolonien, Reichtum und das Staatswohl. Reste der Ehrvorstellungen und der „alten Ritterlichkeit“ blieben natürlich im Mindset des Adels und der Oberschicht erhalten. Im Kern und bei der Zielsetzung hatte jedoch die Zweckmäßigkeit gegenüber dem Spielerischen gewonnen. Der Adel verlor zunehmend seine persönliche Macht und ging im Staat auf, während der Krieg rational und technisiert wurde. „Mann gegen Mann“ spielt keine Rolle mehr bei den Pikenhaufen und Musketenreihen der frühen Neuzeit. Die spielerische („agonale“) Rivalität des Kampfes kristallisierte und verdichtete sich darum im Duell.
Es blieb das Duell
Das formalisierte Duell in der frühen Neuzeit war darum ein Überrest archaischer, adliger Wettkampfkultur und unterlag schlussendlich der modernen Gesellschaftsidee von Ausgleich, Dialog und dem Ausbilden von komplexen Systemen. Der Staat strebte danach, Konflikte vor Gericht zu klären – und somit das Gewaltmonopol zu festigen.
Im ausgehenden Mittelalter und in der Renaissance war die Gesellschaft noch durchgängig bewaffnet. Ebenso waren altmodische Vorstellungen noch präsent, während die Gesetzeslage sich eigentlich bereits modernisierte. Mehr als ein Mann (und ja, es sind nahezu ausschließlich Männer) musste aus seiner Stadt fliehen oder sich vor Gericht verantworten, weil er jemanden im Duell getötet hatte.
Paradoxerweise waren Fragen der Ehre gerade in diesen Fällen besonders wichtig. Gerichte verbrachten viel Zeit damit, zu prüfen, ob ein Duellant, der seinen Gegner getötet hatte, sich an die Spielregeln gehalten hatte. Jemanden zu töten, mag illegal gewesen sein – aber die Richter waren ebenso Teil derselben Gesellschaft von Männlichkeit und Ehre wie die Angeklagten. Ihr Selbstbild fand sich in den Handlungen der Angeklagten wieder. Sie mussten also gegensätzliche Ansichten miteinander verbinden.
Oftmals fielen die Urteile geringer aus, wenn der Kampf ehrenvoll ablief. Bei spontanen Kämpfen – die völlige Formalisierung des Duells kam erst sehr spät in der Geschichte – war es auch wichtig, ob die Umstehenden zum Frieden aufgerufen hatten. Noch lange galt schließlich, dass ein Angriff auf die eigene Ehre wie ein Angriff auf das eigene Leben betrachtet wurde. Da war es doch verständlich, wenn jemand rotsah! Auch Provokationen wurden miteinbezogen. Wer beleidigt wurde, ohne selbst provoziert zu haben, und sich dann gewalttätig verteidigte, der hatte gute Chancen auf ein sehr mildes Urteil.
Duelle – eine Sache des Adels?
Waren Duelle nun aber eine rein adlige Angelegenheit? Nur, wenn man es formal betrachtet. Die Obrigkeit unterschied meist klar zwischen gemeinem Volk und dem Adel. Der Adel duellierte sich. Das Volk hingegen „hatte einen Disput“, oder „es brach ein Tumult aus“. Jedoch wurde vor Gericht ebenso wie beim Adel darauf geachtet, ob die allgemeingültigen Regeln der bewaffneten Gesellschaft eingehalten wurden. Hatte jemand provoziert? Wurden Beleidigungen und Schmähungen ausgetauscht? War zum Frieden aufgerufen worden?
Formale Duelle hingegen waren je länger, je mehr ein Konzept des Adels, denn das einfache Volk musste mit Strafen durch den Staat rechnen. Allerdings waren viele Duelle spontan, und beim einfachen Volk sind die Quellen schwierig auszuwerten, weil kaum jemand darüber schrieb. Wenn doch einmal etwas dazu notiert wurde, dann, wie oben schon erwähnt, mit anderen Wörtern als „Duell“.
Wenn sich zwei Handwerksrivalen auf der Straße treffen, sich angiften und der eine den anderen zum Kampf fordert, wobei der Geselle die Pistole des Gegners einsammelt, damit fair mit dem Schwert gekämpft wird – ist das dann kein Duell? Zwei Leute streiten bewaffnet um eine Frage des Ansehens, nachdem über längere Zeit in den Wochen zuvor Beleidigungen ausgetauscht worden sind. Für mich ist das ein Duell. (So geschehen im 16. Jh.)
Die Regeln des Duells – Zeremonie und Ritual
Doch was ist nun mit dem formalen Duell? Dem Treffen unten am Fluss mit Sekundanten und Pistolen auf 20 Schritt? Diese Form des Duells ist fast nur noch symbolisch. Sie dramatisiert und kultiviert die Gewalt. Die Inszenierung der Ehre und der Gewalt erhält hier ihre zugespitzte Form, da der Krieg diese nun gar nicht mehr enthält. Es baut auf dem Konzept auf, dass du das bist, als das du erscheinst. Ein Ehrenmann und Edler muss seine Tugendhaftigkeit zeigen und beweisen können, sonst ist er keiner. All das baut auf Gegenseitigkeit und Ritualen auf, die in der Standesgesellschaft wurzeln. Ein Adliger hat schließlich von Haus aus mehr Ehre als ein Gemeiner – und wenn nicht, dann muss er sein Ansehen eben anders verteidigen.
Beim Duell zeigen beide Teilnehmer, dass sie bereit sind, der Ehre alles andere unterzuordnen. Das eigene Leben? Egal! Der Duellant erbringt damit den Beweis, dass er von gutem, tugendhaftem Charakter ist, selbst wenn er einen Fehler gemacht hat. Man beweist durch die Bereitschaft, das eigene Leben aufs Spiel zu setzen, dass ein schlechtes Verhalten nicht einem schlechten Charakter oder üblen Zielen entsprungen ist.
Die Schuldfrage wird nicht angetastet
Die Schuldfrage jedoch, die bleibt ungeklärt. Das Duell ist darum eine eigennützige, vielleicht sogar egoistische Sache. Man will sein Ansehen erhalten, Rache nehmen oder seine Charakterstärke beweisen (und sei es, um mit diesen kämpferischen Fähigkeiten angeben zu können). Das Duell ersetzt dabei das Reden und die Einsicht über eigene Charakterschwächen durch die Pistole oder das Schwert. Die sozialen Beziehungen werden erneuert und wiederhergestellt, ohne dass jemand „sein Gesicht verliert“. Man tritt an, man beweist seine Charakterstärke im Angesicht des Todes, man geht vom Feld.
Das Duell war deshalb immer etwas, das sich um Gefühle drehte. Jemand fühlt sich in seiner Ehre angegriffen oder jemand fühlt sich beleidigt. Darauf reagiert er mit Gewalt und Aktion. Das Duell ist immer nach außen gerichtet. Die innere Einstellung bleibt egal.
Heute hingegen halten wir im Allgemeinen die innere Ehre, also Würde, gelebte Moral und Reflexionsfähigkeit, für wichtiger als die zelebrierte, äußere Ehre. Auch sind wir innerhalb unserer Gesellschaftsidee alle gleichgestellt und gleichrangig. Entsprechend erfüllt auch das Duell keinen Zweck mehr.
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„Geschichtskrümel“ ist eine wöchentlich erscheinende Serie aus Kurzartikeln. Sie soll Autoren, Spielern und Spielleitern als Anregung dienen und Inspiration fürs Rollenspiel oder Geschichten bieten. Die Geschichtskrümel drehen sich um historische Ereignisse oder Themen, über die ich in meinem Alltag stolpere. Sie sind manchmal lehrreich, manchmal skurril und manchmal einfach nur lustig.
Quellen (Alle Buchlinks gehen zu Amazon):
- Burkhart, Dagmar. Eine Geschichte der Ehre. Darmstadt, 2006.
- Guttandin, Friedhelm. Das paradoxe Schicksal der Ehre. Zum Wandel der adeligen Ehre und zur Bedeutung von Duell und Ehre für den monarchischen Zentralstaat. Berlin, 1993.
- Tlusty, B. Ann. The Martial Ethic in Early Modern Germany. Civic Duty and the Right of Arms. New York, 2011.
- Sasaki Kojiro and Miyamoto Musashi: Foto von rogercocacola on Foter.com / CC BY-SA