„To Wives and Sweethearts – may they never meet!“ Mit diesem klassischen Trinkspruch der Royal Navy stoßen Captain Aubrey und seine Offiziersfreunde im Film Master & Commander an. Auch wenn er vor ein paar Jahren geändert wurde in „Our Families“, gibt er doch einen prima Einblick in das Leben in der Streitkräfte.
Wie ich letzte Woche beschrieben habe, gab es zwar Soldaten, die das Glück hatten, heiraten zu können, und ihre Frauen sogar mit in den Krieg nehmen konnten, den meisten blieb das aber verwehrt.
Das bedeutet allerdings nicht, dass die Redcoats keine Beziehungen geführt hätten. Egal ob in der Heimat oder nachdem sie unter Trommelwirbel und mit geschulterter Muskete in Indien oder anderswo angelandet waren und sich langsam an das neue Land gewöhnt hatten.
Zum einen gab es Prostitution – immer und überall. Zum anderen waren da auch noch die oben erwähnten Frauen der verheirateten Kameraden .
Seitensprünge und andere Liebschaften
Weder die Soldaten noch die Soldatenfrauen waren immer glänzende Beispiele bürgerlicher Moral. Es war also nicht ungewöhnlich, wenn beim Zusammenleben in der Kaserne irgendwann auch Ehebruch ins Spiel kam, mit all dem Drama, das damit einhergehen kann. Neben Problemen mit dem Gesetz – Ehebruch war damals schließlich strafbar – konnte es auch zu handfesten Streitigkeiten zwischen den Männern kommen. Was in einer kämpferischen Gesellschaft schnell einmal zu Gewalt führen konnte.
Ein Beispiel: 1747 gab es Streit zwischen Private Daniel Buckley und Sergeant John Gorman. Der Sergeant hatte eine Affäre mit Buckleys Frau Lydia begonnen, und wann immer der Private Wache schieben musste, verbrachte der Sergeant Zeit mit Lydia. Nachdem der Sergeant dem Kompaniekommandanten versprochen hatte, dass er die Affäre aufgeben würde, das aber nicht tat, ermordete Buckley ihn. In der Folge wurde der Private zum Tode verurteilt, aber sofort wieder begnadigt. Seine Frau hingegen wurde an einen Ochsenkarren gebunden und unter Trommelwirbel aus der Kaserne geführt – der übliche Umgang mit Prostituierten, nur um dann dem zivilen Gericht übergeben zu werden.
Ein andermal wiederum geriet ein Grenadier auf Feldzug in Spanien in Streit mit seiner Ehefrau, als diese ihn für einen Sergeant verließ, und nicht zu ihm zurückkommen wollte, als der Grenadier sie darum bat. Sein Argument, dass er sich nicht um die dreijährige Tochter kümmern könne, erweichte sie nicht, und so erstach er sie. Der Sergeant hatte Glück, denn andere griffen ein, bevor der Grenadier auch ihn erwischte. Dieser wurde zu drei Monaten Einzelhaft verurteilt, wovon er aber nur einen verbüßte.
Offiziere und die Frauen ihrer Untergebenen
Bei Offizieren sah das noch einmal ganz anders aus. Wie mittlerweile klar wurde, hatten Sergeants und Offiziere für Soldatenfrauen scheinbar gewisse Vorzüge. Einer davon ist simpel: Geld.
Dennoch war es überhaupt nicht angesehen, wenn Offiziere sich mit den Frauen ihrer Untergebenen einließen. Zum einen war es ein schlimmer Vertrauensbruch gegenüber ihren Soldaten, die ihnen ja in den Kampf folgen mussten. Zum anderen beschmutzte es den sozialen Status der Offiziere, die den adligen Idealen folgen sollten. Sich mit einfachen Frauen einzulassen, verwässerte die klare Trennung der Stände: Soldaten hier – Offiziere dort.
Die Strafen für Offiziere waren üblicherweise allerdings ganz anders geartet als die der einfachen Soldaten. Statt Körper- oder Gefängnisstrafen erhielten sie Strafen, die vor allem eine Signalwirkung gegenüber anderen Offizieren hatten oder ihre Karriere behinderten. Sie erhielten ungeliebte Posten oder wurden für einige Monate suspendiert. Das war zwar durchaus auch eine Schandstrafe aber eine, die lediglich von ihrer Kaste erkannt wurde.
Officer‘s Sweethearts
Es wäre natürlich Humbug, zu glauben, dass Offiziere tatsächlich alle nach ihren ständischen Idealen lebten. Andererseits richtete sich die Wahl einer Ehepartnerin vorrangig danach, ob sie nützliche familiäre Verbindungen hatte und ob sie Reichtum in die Ehe einbrachte.
Einige Offiziere hatten jedoch auch langjährige uneheliche Partnerschaften mit Frauen aus dem einfachen Volk, und auch Affären mit dem Personal kamen durchaus vor, die auch zum einen oder anderen Kind führten, das dann versorgt werden musste.
Mätressen und Schauspielerinnen
Klassisch war aber der Umgang mit dem, was man heutzutage Escorts nennen würde: Damen, deren hauptsächliches Einkommen daraus bestand, dass sie einen oder mehrere Liebhaber unterhielten – vielfach Schauspielerinnen. Und genau wie heute gab es auch damals schon Bordelle – das auch für Offiziere und andere Männer mit Geld.
„Mrs. Porters“ in der Berkeley Street in London war beispielsweise so ein „Establishment“, in dem illustre Persönlichkeiten verkehrten. Der Duke of Wellington, der bei der Schlacht von Waterloo das Kommando innehatte, frequentierte Mrs. Porters beispielsweise, und Wellington ist ja nun nicht irgendein dahergelaufener Leutnant. Es war also keine Frage des Ranges oder des sozialen Standes. Unverheiratete Offiziere mit genug Geld mieteten oder kauften ihren Mätressen allerdings oftmals eine eigene Wohnung.
Prostitution
Für eine normale Prostituierte wurde hingegen nicht besonders viel Geld fällig. Ein paar Penny, mehr mussten Männer üblicherweise nicht springen lassen, um ihre Gelüste befriedigen zu lassen.
Bei den Frauen für die Offiziere sah das anders aus, denn nicht alle Offiziere hatten feste Liebhaberinnen. Ebenso wie ihre Soldaten frequentierten viele von ihnen Prostituierte. Das konnten Damen bei Mrs. Porters sein oder auch nur einfache Frauen. Die Preise dafür variierten. Lord Alvanley reiste 1808 im Alter von 19 Jahren nach Spanien ab, und seine Bankiers bestanden auf eine zügige Begleichung seiner Rechnungen. Diese beinhalteten auch diverse Ausgaben für weibliche Gesellschaft, die er noch nicht beglichen hatte:
- Eine Nacht mit Mrs. Dubois (grande blonde), 5£ 5s (Der Gegenwert von über 600 Kilo Brot, also eine Menge Geld für einfache Leute!)
- Ein Mädchen vom Land, 2£ 2s
- Eine amerikanische Lady, 10£ 10s
Die jungen Frauen, welche mit Offizieren gegen Geld das Bett teilten, waren allerdings austauschbar. Sobald sie erst einmal nicht mehr in ihren besten Jahren waren oder sich den Ruf eingehandelt hatten, Geschlechtskrankheiten zu verbreiten, endeten viele von ihnen irgendwann als Hure für einfache Soldaten.
Damit ging es ihnen auch nicht anders als den Freundinnen und unehelichen Lebenspartnerinnen der unteren Ränge, die ebenfalls oft davongeschickt wurden, wenn sie erst einmal schwanger waren oder anderweitig zur Last fielen.
Geschlechtskrankheiten nagen an der Kampfbereitschaft
Noch bis ins 19. Jh. unternahm die Führung der Streitkräfte fast nichts gegen das Problem der Geschlechtskrankheiten, die mit dem Armeeleben scheinbar zwingend einhergingen. Zwar erkannte man irgendwann, dass Geschlechtskrankheiten auch die Kampfkraft bedrohten, aber die Medizin war noch bis zur Industrialisierung nicht in der Lage, tatsächlich für Heilung zu sorgen.
Es war keine Seltenheit, wenn in einem Regiment 25% oder mehr seiner Soldaten nicht kampfbereit waren, weil sie von Geschlechtskrankheiten heimgesucht wurden, wobei die Syphilis und die Gonorrhoe immer ganz vorne dabei waren. Im späten 18. Jh. wurden Hospize aufgebaut, wo Frauen mit Geschlechtskrankheiten festgehalten und behandelt wurden.
1864 wurde ein Gesetz erlassen, das Prostituierte in Garnisonsstädten verpflichtete, sich regelmäßig untersuchen zu lassen. Diese Praxis wurde von vielen Prostituierten abgelehnt, besonders von den respektablen „Damen“ aus den guten Etablissements. Zumal es immer wieder Hinweise gab, dass die Männer, welche die Untersuchung durchführten, bewusst versuchten, die Frauen zu demütigen oder zu beschämen.
Erst mit dem Ausbau des Kontrollsystems, besseren Behandlungsmöglichkeiten und einer Erhöhung der Quote für zugelassene Ehen wurden die Krankheitszahlen merklich verringert. 1909 wurden in Indien noch durchschnittlich 6,7% der Soldaten von Geschlechtskrankheiten heimgesucht.
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„Geschichtskrümel“ ist eine wöchentlich erscheinende Serie aus Kurzartikeln. Sie soll Autoren, Spielern und Spielleitern als Anregung dienen und Inspiration fürs Rollenspiel oder Geschichten bieten. Die Geschichtskrümel drehen sich um historische Ereignisse oder Themen, über die ich in meinem Alltag stolpere. Sie sind manchmal lehrreich, manchmal skurril und manchmal einfach nur lustig.
Quelle:
- Holmes, Richards. Redcoat. The British Soldier in the Age of Horse and Musket. London, 2002.