Wir alle existieren. Also hatten unsere Vorfahren Sex! Logisch. Immer aber wurde dabei bewertet, geordnet, reguliert und moralisiert. Die klassischen Argumente ziehen ihr Gewicht aus der Religion oder dem Erhalt der öffentlichen Ordnung und der guten Sitten. Als Teil dieser Serie habe ich bereits über die Sexualmoral in Babylon gesprochen, wo Prostituierte keine Kopftücher tragen durften. Ebenso habe ich diskutiert, wie die Verhaftung eines schwulen Rennfahrers nicht nur zu einem Aufstand führte, sondern auch die Sexualgesetze im alten Rom auf den Kopf stellte.
Im Mittelalter wiederum drohte stets die Apokalypse, wenn es im Bett heiß her und zu ging. Bußbücher regelten, wie man seine Seele retten konnte, bevor unwiederbringlich irgendwann – gewiss sehr bald – die Welt untergehen würde. Wer sich scheiden lassen wollte, der musste einen guten Grund haben – und viele Möglichkeiten gab es hier nicht. Impotenz war einer davon. Manchmal kamen dann Prostituierte als Gutachterinnen zum Zuge, die prüften, ob die behauptete Impotenz auch existierte!
Kein Sex außerhalb der Ehe – und dennoch Prostituierte?
Womit schon einmal gerichtsfest bewiesen ist, dass es Prostituierte gab! Sollte es sie geben? Das ist eine Frage, der auch die katholischen Theologen nachgehen mussten. Taten sie doch allerhand Dinge, die Gott nach geltendem Leitbild hasste: Sie hatten Geschlechtsverkehr aller Art, verhüteten beim Sex, trieben Kinder ab und vergifteten die Seelen ihrer Freier! Wenn Sex und Lust Sünde waren und bestenfalls in der Ehe vollzogen werden sollten, dann konnten Prostituierte doch nichts Legales oder gar Gutes sein?
Ein fester Teil der Gesellschaft
Es rappelte jedenfalls das gesamte Mittelalter über regelmäßig in der Kiste. Darum waren Prostituierte im europäischen Mittelalter eigentlich auch keine Ausgestoßenen. Randständige natürlich schon – aber eben ein fester Teil des Stadtbildes und der gesellschaftlichen Ordnung. In den historischen Quellen taucht Prostitution vor allem in Gerichtsakten, Mietlisten und Streitschriften von zeitgenössischen Gesellschaftskritikern auf.
Zum einen gab es dafür eine theologische Sichtweise, die einen praktischen Blick auf die Prostitution warf: Sex war Sünde, aber nur die wenigsten Männer hatten den eisernen Willen eines Mönches, ihre Lust auf Dauer zu unterdrücken. Bevor die Kerle nun also herumzogen und haufenweise gute junge Frauen verführten und deren Seele mit ihrem Samen beschmutzten, war es besser, sie gingen zu einer Hure. Provokant gesagt: Aus der Sicht der Theologie waren Prostituierte so eine Art Überdruckventil für die Libido und sexuelle Sondermülldeponie.
Zum anderen war Prostitution unheimlich lukrativ. Die Städte und die Kirchenfürsten verdienten in vielen Fällen an der käuflichen Liebe direkt mit. Manchmal kamen die Einnahmen in Form von Steuern, oftmals betrieben die weltlichen und kirchlichen Obrigkeiten die Bordelle allerdings direkt selbst. Der Bischof als Zuhälter? Durchaus!
Die vier Hauptformen der Prostitution
Grundsätzlich gab es im europäischen Hoch- und Spätmittelalter vier Formen der Prostitution.
Die erste waren die öffentlichen Bordelle und entsprechende lizenzierte Freudenhäuser. Die zweite waren Badehäuser, die zeitgleich zum Waschen und für anrüchige Dinge Raum und Gelegenheit boten und oftmals Aristokraten gehörten, die damit viel Geld verdienten.
Daneben gab es noch kleine Privatbordelle, beispielsweise in Privathäusern. Oftmals konnte dort die Hausherrin als Kupplerin zwei oder drei ihrer Mägde anbieten oder hatte Kontakt zu freien Prostituierten. Diese sind dann auch die vierte Form: Sie arbeiteten nicht in einem festen Etablissement, sondern waren auf eigene Faust unterwegs. Sie wurden auch immer wieder von der Stadtverwaltung vertrieben und manchmal zwangsweise in Bordelle gesteckt.
Öffentliche Maßnahmen
Genau wie beim Bettlerwesen war es den Stadtoberen schließlich kaum möglich, ein Totalverbot der Prostitution durchzusetzen – das ja auch nicht gewünscht war. Jede Stadt zog zudem Fremde an, und Fremde wollte man nicht im Bett guter Töchter haben. Einige Städte, wie z.B. Genua, hatten so viel Fremdenverkehr, dass in ihnen schon einmal 10–15% der Einwohnerschaft Prostituierte waren.
Zum Schutz der Jungfräulichkeit der eigenen Töchter wurden Bezirke oder Straßen ausgewiesen, wo der Prostitution nachgegangen werden durfte, oder bestimmte Kleidungsstücke zur Markierung der Huren festgelegt. Manchmal gründeten die Städte auch öffentlich betriebene Bordelle.
Köln beispielsweise versuchte lange Zeit seine Prostitution einzuhegen, nur schon damit der Immobilienwert der guten Gegenden nicht dadurch sank, dass Prostituierte in derselben Straße wohnten. Die schwache Durchsetzungsfähigkeit der Obrigkeit und der Mangel an einer ständigen Polizei sorgten aber dafür, dass diese Einschränkungen mehr schlecht als recht umgesetzt wurden.
In Köln gab es mit dem Haus „Schönefrau“ bereits 1286 ein privates Bordell, aber auch in vielen anderen Gassen und Straßen gab es Prostituierte, die ihre Miete wöchentlich bezahlten. (Miete wurde ansonsten meist jährlich bezahlt.) 1487 brachten die Häuser einiger Prostituierten in der Schwalbengasse zusammen mit einigen Badestuben dem Pfarreibezirk von St. Kolumba 11% seiner jährlichen Mieteinkünfte ein. Immerhin 1664 Mark oder fast 9 Kilo Silber!
Der Henker als Frauenwirt
Irgendwer musste diese Regeln ja durchsetzen und etwaige Abgaben einziehen. Dafür setzten die Städte Huren- oder Frauenwirte ein. Oft waren das jene Angestellten der öffentlichen Hand, die selbst bereits am unteren Rand der sozialen Ordnung standen. Vielerorts war das der Henker, der meist verschiedenste Aufgaben kombinierte.
Manchmal war der Henker nicht nur der Mann für die Hinrichtungen, sondern schnappte auch Verbrecher, war der Hundeschläger, entsorgte Kadaver oder kümmerte sich eben auch noch um die Prostitution. Wie damals üblich, tat er das natürlich auf Kommissionsbasis: Wenn er nichts eintrieb, verdiente er auch nichts.
Öffentliche Bordelle
Was in den großen Städten Italiens schon früher anfing, dauerte in Köln noch bis 1527: die Einrichtung eines städtischen Bordells, in dem die Prostituierten konzentriert werden sollten. Das Haus auf dem Berlich war ein Holzhaus mit Steinfundament. Auf dem Dach trug es die Wimpel der Stadt als Zeichen von Schutz und Eigentum – und im Hinterhof hatte es einen Friedhof für die gemeinen Dirnen. Das Berlich-Haus war zudem klein und bot gerade mal 8 Frauen Platz. Nur die größten Pechvögel unter den Huren landeten dort, wenn sie auffielen, straffällig wurden oder aus anderen Gründen „abgeschoben“ werden sollten.
Wer kassiert? Nicht die Huren!
Es gab auch Prostituierte, die gutes Geld verdienten – meistens solche, die spezialisierte Dienstleistungen oder „Escort-Dienstleistung“ anboten. Der Großteil wurde wie die im Haus auf dem Berlich nicht reich, eher im Gegenteil – dazu später noch mehr.
Wer Geld mit dem frisch errichteten Bordell machte, war das Wirtspaar des „Hurenwirtshauses“, denn der Akt wurde vielleicht im Berlich-Haus vollzogen, aber fürs Anbändeln gab es eine öffentliche Gaststätte – eben das Hurenwirtshaus. Dort war auch der Hurenwirt untergebracht, der jetzt gleich auch noch echter Wirt war. 1565 war es jedoch eine Wirtin, Catharina von Lidburgh, deren Ehemann Mattheis Wintergarteners war. Ein Brauer! Die beiden kassierten also bei den Frauen und den Freiern.
Wein und Bier…
Und zwar reichlich! Das Hurenwirtshaus schenkte zur Zeit der Wirtin Catharina knapp 14.500 Liter Bier im Jahr aus. Dazu kamen 17.500 Liter Wein! Das Geld blieb in der Familie, denn alles davon lieferte ihr Mann Mattheis. Wie in Bordellen üblich, nahm sie deutlich höhere Preise als andere Gaststätten. Wein kostete beispielsweise 48 Heller statt der sonst höchstens 36 Heller pro Quart (1,22 Liter). Insgesamt verdiente die Wirtin allein an ihren Getränkeumsätzen mindestens 10.725 Mark im Jahr (über 30 Kilo Silber). Eine Menge Geld, verglichen mit den üblichen Einkünften.
Familienwerte…
Im Spätmittelalter trieb all diese öffentliche Prostitution einige unerwartete Stilblüten. Wer jetzt glaubt, dass die Schandhäuser stets und überall mit missbilligendem Nasenrümpfen betrachtet wurden, der liegt gründlich daneben.
Je stärker die Prostitution institutionalisiert wurde, desto eher wurde sie auch Teil der Normalität vieler Leute. Ehefrauen konnten die ungewöhnlicheren Wünsche ihrer Männer anderswo befriedigen lassen, junge Frauen mussten keinen Sex haben, und zusätzlich betrachteten einige Städte Prostituierte als eine Bastion gegen die Homosexualität.
Florenz, das ja in vielerlei Hinsicht sehr fortschrittlich war, beispielsweise mit dem ersten modernen Gefängnis Europas, eröffnete kurz nach 1400 ein Bordell, unter anderem, weil die Stadt gegen die fallenden Geburtenraten angehen wollte. Die Theorie war, dass zu viele junge Männer mit Homosexualität experimentierten, und man hatte die Hoffnung, dass sie, wenn sie sich früh genug an Sex mit attraktiven Frauen gewöhnten, bald schon heiraten würden.
Die Prostituierte als Eheberaterin
Das sexuelle Wissen von Dirnen war gefragt. Wie letztes Mal schon geschrieben, unter anderem als Gutachterinnen vor Gericht. Aber auch, weil sie natürlich über viel mehr Erfahrung verfügten als die meisten. Immer wieder hakten potenzielle Ehefrauen bei Prostituierten nach, wie denn ihr möglicher baldiger Ehemann als Liebhaber taugte. In London sorgte das einmal dafür, dass eine reiche Witwe eine Hochzeit abblies. Der geschmähte Ehemann verklagte dann die Hure auf Schadenersatz.
Huren im Kirchturm
Wie bereits erwähnt, hatte auch die Kirche ihre Finger immer mit im Spiel, wenn es um Prostitution ging. Wobei die Kirche vielleicht ein wenig zu weit geht: Kirchenkapitel, Klöster, Domherren, Bischöfe – Fürsten, Herrscher, Geschäftsleute. Menschen eben.
In Straßburg gab es 57 Bordelle in gerade mal 6 Straßen. Eines davon gehörte dem Bischof, und im Kirchturm der Kathedrale schafften die „Schwalben“ an, wie man sie nannte.
In Mainz gewährte der Erzbischof 1457 eine exklusive Lizenz für die Prostitution an eine Adelsfamilie seiner Wahl – ob er irgendein Recht dazu hatte, ist etwas anderes. Er hatte jedenfalls die Macht dazu.
In Avignon wiederum wurde mit der Gründung des städtischen Bordells auch direkt im entsprechenden Gesetz festgehalten, dass die Äbtissin zuständig war, im Bordell für Ordnung zu sorgen und die Abgaben einzuziehen.
Die Dominikanermönche von Perpignan sammelten 1608 sogar Almosen bei ihren Kirchenbesuchern, um das vom Kloster besessene Bordell zu renovieren. Sie mögen ein Bettelorden gewesen sein, aber ob das auch Freudenhäuser abdeckt, darüber kann man vermutlich streiten!
Wie erging es nun aber den Frauen?
Spricht man nur über Gesetze, Regularien und die Sichtweise der „anständigen Gesellschaft“, dann fallen die Schicksale der Prostituierten schnell unter den Tisch. Wenn der Kaiser sich öffentlich nur mit den besten Damen zeigt, aber abends beim Besuch in einer fremden Stadt ein wildes Fest in einem Bordell feiert, dann ist das eine zwiespältige Sache. Soziale Sicherheit gab es für die Frauen nämlich nicht.
Die Frauen des Berlich-Hauses in Köln z.B. klagten immer wieder darüber, dass sie hungerten. Am Umsatz konnte es nicht gelegen haben, denn wie weiter oben berichtet, hatte das Hurenwirtshaus immerhin fast 11.000 Mark Silber Bruttoeinnahmen. Da der Hurenwirt – wie an vielen Orten – für die Versorgung der ihm unterstellten Dirnen zuständig war, eine Schande. Zumal die Berlich-Huren in Köln wohl auch unverhältnismäßig viel vom Hurenwirt geschlagen wurden. Da viele der Prostituierten zwangsweise im Berlich-Haus waren, auch kein Wunder.
Anderswo waren die Regularien etwas strikter und die öffentlichen Bordelle besser aufgestellt, sodass Kaiser Maximilian III. sich 1470 dort mit silbernen Ketten von nackten Frauen fesseln ließ und wohl einen Heidenspaß hatte, sich dann freizukaufen. Das Berlich-Haus hat er nicht besucht.
Soziale und rechtliche Unsicherheit
Prostituierte waren im Allgemeinen nicht freiwillig als Dirne tätig. Armut, Gewalt oder familiärer Zwang waren in gut 85% aller Fälle Auslöser. Die meisten fingen im Alter von ca. 17 an, sich zu vermieten. Viele waren allerdings keine Fremden in der Stadt! Gerade mal 15% waren im Schnitt reisende Frauen, die nur durch einen Ort zogen. So beispielsweise Spielfrauen, denen allerdings auch oft zu Unrecht wegen ihres „freien Lebens“ Liederlichkeit und Käuflichkeit unterstellt wurde.
Huren mussten jedenfalls immer zusehen, wo sie blieben. Vor Gericht zu ziehen, war nicht unmöglich, aber schwierig, zumal sie ja auch Rache fürchten mussten und keinen guten Leumund hatten.
Rechtlich schlechtergestellt
Prostituierte konnten beispielsweise auch nicht vergewaltigt werden – jedenfalls nicht im Auge des Gesetzes. Das war per Definition nicht mehr möglich. Sie konnten danach ihre Bezahlung verlangen, mehr aber auch nicht. Verschwand der Kunde, ohne zu bezahlen: Pech gehabt, kein Gericht half dann. Freier konnten sogar den Preis senken, wenn sie feststellten, dass die Dirne älter war, als sie behauptete. Kurz: Prostituierte konnten nicht auf die Verwaltung zählen.
Was ist eigentlich eine „Prostituierte“?
Ein zusätzliches Problem war die Frage, wer eine Hure war. Gerichte legten das sehr unterschiedlich aus, ganz ähnlich wie schon im alten Rom. Manchmal reichte schon Sex mit mehr als einem Liebhaber! Manchmal waren es 5. Manchmal Tausende. Manchmal musste Geld genommen werden, manchmal nicht. Jede Frau, die sexuell freizügig war, konnte das Stigma erhalten. Der Kern war jedenfalls nie, dass man Geld nahm. Es ging immer darum, ob man eben ein „liederliches Gebaren“ an den Tag legte – kurz „eine Schlampe war“.
Vertreibung
Immer wieder wurden Huren zwangsweise aus Distrikten vertrieben, bekamen Wohnbezirke zugewiesen oder wurden sogar gänzlich hinfortgeschafft. Louis IX., König von Frankreich im 13. Jh., ließ alle Huren aus Paris verbannen, als er auf Kreuzzug auszog. Diese folgten dann einfach seiner Armee bis ins Heilige Land.
Solche Verbannungen aus Städten gab es immer wieder. Meist hielten sie nicht lange, aber es erschwerte dennoch den Aufbau eines geregelten Lebens. Je nach politischer Lage wurde Prostitution einmal verboten, dann wieder öffentlich reguliert, und dann wiederum gab es Zeiten, wo man die Prostituierten sogar in einem öffentlichen Verzeichnis finden konnte, wenn man sie suchte. Oftmals waren die Herrschenden allerdings nur daran interessiert, ihre eigenen Bordelle vor etwaiger Konkurrenz zu schützen, wenn sie Gesetze erließen.
Ein Teil des Stigmas war die Sichtbarmachung der Tätigkeit als Prostituierte. Rote Schleifen, gelbe Mäntel und andere Signalmethoden wurden vorgeschrieben. Ähnlich erging es auch anderen stigmatisierten Gruppen.
Prostitution innerhalb der Kirche
Etwas, das viele heutzutage nicht mehr wissen: Es gab einmal viel zu viele Kleriker! Sie wurden sogar als regelrechte Plage angesehen. Herumziehende Bettelmönche und andere Mitglieder des Klerus ohne eigene Pfründe waren nicht viel mehr als andere arme Leute, nur dass sie das Ansehen der Kirchen beschädigten, wenn sie in Trinkhäusern herumlungerten, Anwohner anbettelten oder anderweitig negativ auffielen. Denk zum Vergleich einfach an die Straßenpunks der Moderne – die Obrigkeiten und die meisten „rechtschaffenen Leute“ haben für sie wenig übrig.
Neben herumreisenden Mönchen gab es aber auch herumreisende Nonnen. Und Nonnen, die gar keine sein wollten.
Nonnen auf Pilgerfahrt
Bereits im 7. Jahrhundert klagte der heilige Bonifazius darüber, dass Nonnen auf Pilgerfahrt nach Rom sich immer wieder prostituierten, um ihre Pilgerfahrt zu bezahlen oder ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
Das führte auch zur problematischen Frage, was mit dem Geld passieren sollte, das eine Nonne einnahm. Sie sollte ja nichts besitzen, und das Geld war zudem anrüchig. Im 15. Jh. etablierte Franziskus de Platea zum Beispiel die Regel, dass die Nonnen ihr „Hurengeld“ an den Konvent geben sollten, der es wiederum für gute Zwecke ausgeben sollte.
Die meisten sexuell aktiven Nonnen verschwanden allerdings unter den Bettdecken mit ihren Liebhabern, weil sie schlicht Spaß daran hatten.
„Besser eine Prostituierte als das liederliche Leben in einem Konvent“
Das proklamierte der Schweizer Prediger Johann Geiler von Kaysersberg in der Kathedrale von Straßburg (die mit den „Schwalben“ im Kirchturm).
Warum ging es in den Frauenklostern heiß her und zu? Das lag schlicht daran, dass viele Frauen eher unfreiwillig Nonnen waren und meistens nicht besonders viel zu tun hatten. Männerkloster verfügten oftmals über große Besitzungen, die es zu verwalten galt – es gab also Arbeit. Bei Frauenklöstern sah das oft anders aus.
Frauenklöster sind langweilige Orte
In Venedig – und natürlich auch anderswo – waren Frauenklöster oft ein Ort, wo man junge Frauen unterbrachte, bis sie heiraten konnten. Dabei reden wir natürlich von Frauen aus der Mittel- und Oberschicht, denen beispielsweise die Mitgift fehlte oder deren Familien zurzeit keine passende Hochzeit arrangieren konnten. Manchmal wurden Frauen auch eine Weile in Klöster geschickt, wenn sie in Ärger geraten waren – und sei es ein Liebhaber. Dort konnten sie dann bleiben, bis die Wogen sich glätteten. Auch als Frauengefängnis mussten einige Klöster manchmal herhalten.
Gut gebildete junge Frauen warteten also gelangweilt in Klöstern darauf, dass sie ihr Habit wieder ablegen konnten. Wenn sich Gelegenheit bot, dann amüsierten sie sich, wie es die meisten Menschen eben gerne taten und heute auch noch gerne tun. Das führte dazu, dass im 14. und 15. Jh. in Venedig 33 Klöster wegen illegaler sexueller Aktivitäten vor Gericht angeklagt wurden. Besonders brisant: Mit 52 Gerichtsprozessen war der Konvent Sant‘Angelo di Contorta führend, in dem Frauen aus den besten Familien der Stadt lebten.
Dieses Kloster war so anrüchig, dass der Papst es 1474 schließen wollte. Die Nonnen führten den Betrieb jedoch einfach ohne Erlaubnis weiter, und der Konvent sorgte so für noch mehr Ärger. Irgendwann nutzten die Behörden das Kloster dann um und machten ein Lagerhaus für Schießpulver daraus. Es explodierte 1589.
Die frühe gleichgeschlechtliche Ehe!
Nächstes Mal geht es dann um Homosexualität und ihre Ausprägungen im Mittelalter, denn sie war alles andere als inexistent und ganz anders, als man glauben mag.
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„Geschichtskrümel“ ist eine wöchentlich erscheinende Serie aus Kurzartikeln. Sie soll Autoren, Spielern und Spielleitern als Anregung dienen und Inspiration fürs Rollenspiel oder Geschichten bieten. Die Geschichtskrümel drehen sich um historische Ereignisse oder Themen, über die ich in meinem Alltag stolpere. Sie sind manchmal lehrreich, manchmal skurril und manchmal einfach nur lustig.
Quellen
- Abulafia, D. (Ed.). (2004). Italy in the Central Middle Ages. New York: Oxford University Press.
- Berkowitz, E. (2012). Sex & Punishment. 4000 Years of Judging Desire. London: The Westbourne Press.
- Geltner, G. (2008). The Medieval Prison. A Social History. Princeton: Princeton University Press.
- Irsigler, F., & Lassotta, A. (1989). Bettler und Gaukler, Dirnen und Henker. Außenseiter in einer mittelalterlichen Stadt (12. Auflage). München: dtv.
- Rossiaud, J., & Voltmer, E. (Übs.). (1989). Dame Venus. Prostitution im Mittelalter. Muünchen: C.H. Beck.