Sexualität im Mittelalter unterlag vielen Normen und Regeln – die dann doch nicht immer eingehalten wurden. Gegen die spirituellen Gefahren, die mit der baldigen Apokalypse einhergingen, halfen Fasten oder ein gefüllter Geldbeutel, damit das jemand anderes für einen übernahm.
Auch wenn die Theologen gerne einmal betonten, dass der einzig wahre Sex freudlose Prokreation in der einzig erlaubten Missionarsstellung sein sollte, finanzierten Klöster hin und wieder auch ihre Bordelle mit Almosen der Gläubigen oder Bischöfe ließen im Turm der Kathedrale ihre „Schwalben“ anschaffen. Die Prostituierten waren zwar sexuelle Abweichler, aber Teil der Gesellschaft – sie hielten die ganzen Schweinereien von den „guten Mädchen“ fern und boten den Männern eine Möglichkeit, sich auszutoben. Und sie brachten ihren Herren Geld ein – viel Geld.
Daneben gab es aber auch noch andere Menschen, die nicht dem entsprachen, was die Kirche als Leitbild aufrechterhielt. Schwule, Juden, Muslime und Lesben beispielsweise. Denen erging es nicht immer gut. Über die dunklen Seiten schreibe ich hier. Im diesem Artikel gehe ich auf die Lichtblicke ein – die es ebenfalls gab.
Tolerierte Außenseiter
Im Frühmittelalter sah alles noch etwas rosiger aus für die ganzen Abweichler. Die Gesetze von Justinian, die drakonische Strafen für Homosexualität oder Häresie vorsahen, griffen nicht und wurden nur gelegentlich an einigen Orten durchgesetzt – und dann verlor das oströmische Reich bald seinen Einfluss. Darum galt ein Flickwerk aus Regeln und Normen. Nirgendwo wurde Homosexualität als normal angesehen oder gar gefördert, aber es war in vielen Fällen doch nur eine Sünde von vielen.
Wem schadet es und kann man es reparieren?
Im Kern der Debatte stand immer die Überlegung, ob der Drang nach „unnatürlichem Sex“ nur ein Problem für die Beteiligten war – sie also nur ihre eigene Seele gefährdeten – oder ob Gott jederzeit strafend über die Menschheit herfallen könnte, um sein Missfallen auszudrücken. Eine ähnliche Furcht leitete ja auch schon die Sexualmoral der Juden in der Antike.
Zudem stand auch noch die Frage im Raum, ob der spirituelle Schaden endgültig war oder nicht. Kurz: Ob Beichte, Gebet und die Suche nach Vergebung möglich waren – oder ob der Schandfleck in der Gemeinde ausgelöscht werden musste.
Hungersnot und Pestilenz – der Schwule war’s!
Genau wie die Juden waren auch die Homosexuellen dem Verdacht ausgesetzt, dass ihr Verhalten göttliche Strafen über das Land brachte. Gerade dort, wo die Moral direkt in der Bibel gefunden wurde. Leviticus enthält schließlich einige sehr klare Aussagen zu allerlei Dingen, die der Mensch so treiben kann, aber in den Augen des Christengottes lieber lassen sollte.
Die Einheitsübersetzung 2016 sagt es so: „Alle nämlich, die irgendeine dieser Gräueltaten begehen, werden aus der Mitte ihres Volkes ausgemerzt.“ Harsche Worte.
Dabei wurde der Akt der Sodomie als schändlich betrachtet. Die früheren Bußbücher enthielten allerdings Strafen, die mit der Todesstrafe nichts am Hut hatten. Homosexueller Sex war ebenso eine sexuelle Sünde wie das Masturbieren auch. Wer also Analverkehr mit einem Mann hatte, der konnte sich vielerorts reinwaschen, indem er zur Beichte ging und die 15 Jahre Fasten als Strafe akzeptierte (mehr, wenn Fellatio im Spiel war). Quasi das frühmittelalterliche Pendant zu „Pray the Gay away“ – allerdings wurden Leute noch nicht in normative Gruppen eingeteilt. Leute waren nicht „homosexuell“ oder „heterosexuell“. Sie hatten Sex – und dieser war entweder gottgefällig oder nicht.
Das Christentum steht unter Druck
Das änderte sich nach der Jahrtausendwende stetig, aber sicher. Die Kirche gewann an tatsächlicher Macht, vergrößerte ihre Organisation, und ihre Durchsetzungsfähigkeit wuchs. Das ist ein eher technischer Punkt, der aber wichtig ist. Egal wie sich die Mentalität ändert, man muss es auch durchsetzen können. Das war nun immer stärker gegeben, während die kirchliche und die weltliche Macht ihre Strukturen verbesserten und Herrscher anfingen, über Territorien statt Menschen zu herrschen.
Die eigentliche Wende für Homosexuelle, übermäßige Tierliebhaber und auch Juden kam allerdings durch den zunehmenden Druck auf das europäische Christentum von außen. Ultimativ mündete das ja im Fall von Konstantinopel 1453 und in der Belagerung Wiens durch die Osmanen.
Tote Kreuzritter und Pestilenz
Die Kreuzzüge waren kein Erfolg. Klar, man hielt ein Weilchen Antiochia, man eroberte diese oder jene Stadt für ein paar Jahre – aber im Großen und Ganzen waren die Kreuzritterheere den muslimischen Armeen nicht gewachsen.
Durch den Ausbau der Infrastruktur und mehr Austausch zwischen den Ländern überzogen dann auch noch Epidemien und Pestilenz Europa.
Angst hatte die Christen in ihrem schwarzen Griff. Sündenböcke mussten her, und wer taugte dafür besser als die von jeher verspotteten Juden, sexuelle Abweichler und die bedrohlichen Teufel aus dem Orient, die Muslime?
Kampf der Häresie
Das 12. Jh. brachte darum nicht nur eine Klärung des Investiturstreits, sondern auch eine rechtliche Schlechterstellung dieser ganzen Gruppen. Juden, Muslime und andere Falschgläubige waren nun dem ständigen Verdacht ausgesetzt, dass sie Gott verächtlich machten, die Christenheit bekämpften und – unnatürlichen Sex hatten.
Muslimische Teufel – die es mit Männern treiben?
Die Reconquista in Spanien gegen die dortigen Muslime, ebenso die Kämpfe im Heiligen Land mussten mit markigen Worten und aufpeitschender Propaganda gestützt werden. Und was zieht mehr in einem Glaubenskrieg, als wenn man den Feind kulturell und religiös dämonisiert, um die Gruppen stärker voneinander zu trennen? (Spannend, wie heutzutage wiederum Daesh/ISIS versucht, das Ganze in umgekehrter Form zu tun.)
Den Muslimen wurde darum auch sexuelle Perversion unterstellt, und damit einhergehend auch Unreinheit. Wilde Geschichten machten die Runde, dass der Prophet Mohammed im 7. Jh. die arabische Welt regelrecht süchtig nach homosexuellem Geschlechtsverkehr gemacht habe. „Islam“ wurde in Europa zunehmend ein Synonym für „sexuell verkommen“.
Die Tempelritter – alles schwule Muslime?
Diese Argumentation verschwand auch nicht. Die Tempelritter, die sich in den Kreuzzügen einen Namen gemacht hatten und gewaltige Reichtümer anhäuften, wurden vom französischen König Philipp („dem Schönen“) 1307 plötzlich der Häresie angeklagt.
Die Vorwürfe, die der König vorbrachte, passten genau in diese Schiene: Die Templer verehrten angeblich Mohammed, trampelten auf dem Kreuz herum, beteten den Teufel an, betrieben Menschenopfer und… vollzogen alle homosexuellen Akte, die man sich so vorstellen konnte. Zu vielen Dingen davon konnten die Inquisitoren Geständnisse aus den Angeklagten herauspressen, aber nur die wenigsten gestanden unzüchtigen Sex mit Männern.
Über 100 von ihnen wurden auf einen Schlag in einer Massenhinrichtung verbrannt, und der Tempelritterorden wurde 1312 vom Papst aufgelöst.
Wenn der Jude das Sperma für seine Zauberei benutzt…
… dann führt er vermutlich wieder einmal verkommene Rituale durch, um im Auftrag der Muslime die Brunnen zu vergiften. Die Juden bekamen es von allen Falschgläubigen am schlimmsten ab – denn sie lebten mitten in der Gesellschaft. Die aschkenasischen Juden Europas mussten sich immer wieder gegen Mobs erwehren, die ihnen ans Leder wollten.
Gesetze wurde erlassen, die mit Todesstrafe, Verstümmelung oder Vertreibung drohten, wenn ein Jude es wagte, mit einer christlichen Frau zu verkehren. Vielerorts wurde ihnen unterstellt, dass sie Sperma nutzten, um satanistische Rituale durchzuführen, es mit Tieren trieben und regelmäßig Ziegen oder Schweine statt Kinder auf die Welt brachten.
Sex mit Häretikern ist auch nur Sex mit Tieren
Immer wieder wurde Sex mit Juden direkt mit Tiersex oder Homosexualität gleichgesetzt. Das ging so weit, dass 1222 ein Priester in Oxford wegen Sex mit einem Tier angeklagt und verbrannt wurde, weil er eine jüdische Frau geheiratet hatte. Einem Pariser ging es ähnlich, dort wurde der Sex mit einer Jüdin als Sex mit einem Hund betrachtet – und auch er musste brennen.
Homosexuelle werden zu Häretikern
Die Gesetze nahmen also immer weniger Rücksicht auf die Details. „Ketzerei miteinander treiben“ war bald ein Euphemismus für Sex zwischen Männern. Sex mit Juden, Tieren oder Mitgliedern des eigenen Geschlechts… Umstände egal, alles Sodomie! Das frisch eingeführte Inquisitionsverfahren wurde bald schon gegen Ketzer umgenutzt.
Harsche Strafen
Durch diese Vermischung von Häresie und (Homo)sexualität verschwanden nun langsam, aber sicher die Flecken der Toleranz. Das Schicksal von Sodom und Gomorrha stand im Raum. Häretiker waren eine Gefahr für alle – und die Kirche stellte in offiziellen Verlautbarungen klar, dass auch unnatürliche Akte darunterfielen. Wer sich gegen Gottes Idee vom richtigen Sex wandte, dem drohten mindestens Exkommunikation und Verstoßung aus der Gesellschaft.
Ein Gesetz aus Kastilien (Spanien) sah vor, dass zwei Männer, die beim Sex miteinander erwischt wurden, öffentlich kastriert werden sollten. Drei Tage später sollten sie dann an den Beinen aufgehängt werden, bis sie starben. Ihre Leichen sollten am Seil verrotten. Anderswo wurden sie verbrannt oder am Penis aufgehängt. Ein deutlicher Unterschied zu den 15 Jahren Fasten aus dem Frühmittelalter.
Nicht einmal die Flotte bleibt verschont
In Venedig, einem ziemlichen Sündenpfuhl und beliebten Ziel für Sextourismus, machten die Herrscher sich nach der großen Pest von 1348 Sorgen, dass Gott ihre Handelsflotte zerschmettern würde. Die Matrosen auf See waren nämlich bis dahin von den Sodomiegesetzen ausgenommen und Schiffe somit eine Art informeller Freiraum für Schwule. 1420 wurde dieses Schlupfloch dann gestopft, und es wurden Belohnungen ausgelobt für jeden, der andere Matrosen den Behörden meldete, wenn sie Unzucht trieben. Ob diese Gesetze etwas bewirkten, ist kaum zu sagen – aber das Risiko stieg immens.
Ärzte inspizieren Hintern
Die venezianischen Behörden waren allerdings überzeugt, dass trotz aller Gesetze die Sodomie immer verbreiteter war. Es gab Gerüchte, dass sich Leute in Bäckereien, Apotheken, an Straßenecken und in den Kirchen trafen, um dann gemeinsam zu verschwinden.
Um das Problem besser zu verstehen, wurden in allen Bezirken der Stadt zwei Nobelmänner abgestellt, die ein Jahr lang ihre Gegend danach absuchten, ob sie Hinweise auf Sodomie fanden. Auch wurden Ärzte und Bader angewiesen, alle Vorfälle von „strapazierten Hinterteilen“ zu melden. Egal ob Frau, Mann oder Kind: Wer Analverkehr hatte und dabei nicht vorsichtig war, der konnte zwar von den Ärzten seinen Körper behandeln lassen – aber an der Sünde änderte das nichts.
Mildes Gericht
Wie früher schon erging es passiven jungen Burschen etwas besser. Als ein „Ring von Homosexuellen“ aufgedeckt wurde, wurden alle geköpft. Ein 18-Jähriger hatte Glück, er bekam nur 25 Peitschenhiebe, und man schnitt ihm die Nase ab. Der zehnjährige Junge, der ebenfalls beteiligt war, kam mit 20 Hieben davon.
Der Handwerksgeselle Simon wiederum kam glimpflich davon, als man ihn beim Sex mit Tieren erwischte. Er erklärte, dass er seit einem Unfall nicht mehr masturbieren oder mit Frauen verkehren konnte. Das wurde natürlich gründlich getestet, und zwei Prostituierte arbeiteten im Namen des Gerichts hart daran, ihn zur Ejakulation zu bringen. Da das nicht klappte, wurde er nur gebrandmarkt, geprügelt und verlor seine rechte Hand. Besser, als auf dem Scheiterhaufen zu brennen.
Petze!
Florenz handhabte all das ein wenig anders. Zum einen eröffnete die Stadt ein Bordell, damit junge Männer sich schnellstmöglich an Frauen gewöhnten. Zum anderen wurde eine Behörde eingesetzt, die sich darum kümmerte, Sodomiten zu finden. Zu diesem Zweck gab es auch anonyme Briefkästen in der Stadt, wo man Leute anzeigen konnte. Die Denunzierten wurden dann Verhören unterzogen. Gaben sie alles zu und verrieten ihre Sexpartner, dann konnte ihnen die Strafe erlassen werden.
Everybody expected the Spanish Inquisition
1524 konnte die Inquisition in Spanien dann auch damit loslegen, Analverkehr zu bestrafen. Zuvor waren ihre Zuständigkeiten noch nicht überall von Häretikern auf sexuelle Abweichler ausgeweitet worden.
In ihrer üblichen Art begann die Spanische Inquisition dann auch Ehepaare zu bestrafen, wenn sie Analverkehr hatten. Viele Leute nutzten Analverkehr allerdings als natürliche Geburtenkontrollmethode, sodass diese Sünde regelmäßig vorkam. Ein junger Mann erhielt beispielsweise ein mildes Urteil, weil er beteuerte, dass es seine Frau war, die besonders viel Freude an Anal- und Oralverkehr hatte und ihn dazu gegängelt habe. Da er seinen letzten Analverkehr mit ihr gehabt hatte, als er minderjährig war, wurde er nur zu 10 Jahren als Galeerensklave verurteilt statt zum Tod – wobei die Galeere oft genau dazu führte. Wer nun übrigens glaubt, die Spanier wären besonders grausam gewesen: Zumindest bei der Hexenverfolgung waren sie regelrecht harmlos, verglichen mit dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Man muss Gewalt und Strafen auch immer im Kontext des damals Üblichen sehen.
Frauen!
Ja, es gab Lesben. Wie immer ist auch im Mittelalter die Quellenlage zu Lesbianismus leider sehr schlecht. Die Bußbücher des Frühmittelalters erwähnten es noch, aber die große Ketzerhatz interessierte sich kaum für Lesben. Die Kirche des späteren Mittelalters hatte Besseres zu tun, als aktiv Lesben zu unterdrücken. Dieses Desinteresse und auch die Unwissenheit der Obrigkeit finden sich in folgendem Gesetz wieder, einem der ersten bekannten antilesbischen Gesetze von 1270 aus Frankreich:
„Er, der er der Sodomie überführt wird, soll seine Hoden verlieren. Treibt er ein zweites Mal Unzucht, soll er sein Glied verlieren. Beim dritten Mal muss er verbrannt werden. Tut dies eine Frau, dann soll sie bei den ersten beiden Malen ihr Glied verlieren und beim dritten Mal verbrannt werden.“
Anatomisch nicht wirklich präzise, nicht wahr? Anderswo hatte man ein paar Dekaden später eine klarere Idee. In Treviso in Italien sollten alle Frauen, die man bei lesbischen Akten erwischte und die älter als 12 waren, nackt einen Tag lang am Schandpfahl ausgestellt und danach verbrannt werden.
Lass den Dildo weg
Wer auf der sicheren Seite sein wollte, der sollte sich ganz auf die eigenen Finger und die Zunge verlassen, denn ein wichtiger Aspekt der Strafwürdigkeit war die Simulation von „natürlichem“ Geschlechtsverkehr. Die Frage stand im Raum, ob es überhaupt Sex war, wenn nicht penetriert wurde. Manchmal musste stattdessen debattiert werden, ob eine der Frauen „die männliche Rolle“ eingenommen hatte. Sobald ein Dildo gefunden wurde, war das Thema natürlich erledigt. Bis dahin bereitete das Thema allerding so manchem Richter Kopfzerbrechen. Es war klar, dass das nicht ging. Nur, welches spezifische Verbrechen musste denn nun angeklagt werden?
Crossdressing als Frau
Das war auch dann eine wichtige Frage, wenn eine Frau als Mann lebte – was hin und wieder vorkam. Eine Frau aus Chaumont-en-Bassigny in Frankreich wurde zum Beispiel Weber und heiratete eine Frau. Nach einigen Monaten der Ehe flog sie auf und wurde gehängt, denn sie hatte ungehörige Gegenstände genutzt, um über ihren „Defekt“ hinwegzutäuschen. Sie betonte, dass sie lieber hängen würde, statt als Frau zu leben. Ob ihre Ehefrau wusste, wer ihr Mann ist, kann ich nicht sagen – sie hat vermutlich wohlweislich geschwiegen.
Crossdressing als Mann
Ist die Quellenlage bei Lesben schon schlecht, wird sie bei Crossdressern und Transgender-Personen noch schwieriger. Die wenigen Fälle, die ich kenne, tauchen vor allem im Zusammenhang mit Prostituierten auf, die durch Crossdressing ihr biologisches Geschlecht abzulegen versuchten.
Eine Prostituierte, „Eleanor“ (geb. John Ryker), wurde in London 1395 verhaftet und befragt, nachdem er/sie einen Kunden befriedigt hatte. Oder, um es mit der Polizei zu sagen, „unaussprechliche und schändliche Akte vollzogen hatte“. Er/Sie hatte das Gewerbe von einer Zuhälterin und einer anderen Prostituierten gelernt und bevorzugte wohl Kleriker als Kunden, weil die gut bezahlten.
Die Ermittlungen kamen zum Schluss, dass die meisten Kunden nicht wussten, dass Eleanor über einen Penis verfügte – zumal der Sex ja meist größtenteils bekleidet vollzogen wurde. Das war wichtig für die Rechtslage: Konnten Kunden überhaupt wegen Sodomie angeklagt werden, wenn sie dachten, dass sie eine Frau penetrierten? Schwerlich. Eleanor wurde im Übrigen nicht wegen illegaler Prostitution angeklagt, denn das war eindeutig Frauen vorbehalten! Wie die Behörden mit ihm/ihr verfuhren, ist nicht belegt. Vermutlich hing das von Einzelfallentscheidungen der jeweiligen Richter ab. Ein Crossdresser in Frankreich, der ebenfalls als Prostituierte tätig war, wurde jedenfalls verbrannt. Andererseits galt das ja auch für spanische Ehepaare, die das Pech hatten, von der Inquisition wegen Analverkehrs überführt zu werden.
War Homosexualität deswegen unsichtbar oder gar selten?
Darüber schreibe ich dann beim nächsten Mal, denn es gab auch Lichtblicke in der großen Jagd auf Häretiker. Freiräume und rechtliche Grauzonen erlaubten Homosexuellen, sich auszuleben oder sogar Beziehungen zu führen – solange sie im Privaten blieben. Auch gab es Könige, die Liebhaber hatten und trotzdem an der Macht blieben. Wie so oft im Mittelalter muss man Ort, Zeit und Akteure betrachten, damit Dinge klar werden. „Das Mittelalter“ gab es auch für Schwule und Lesben nicht.
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„Geschichtskrümel“ ist eine wöchentlich erscheinende Serie aus Kurzartikeln. Sie soll Autoren, Spielern und Spielleitern als Anregung dienen und Inspiration fürs Rollenspiel oder Geschichten bieten. Die Geschichtskrümel drehen sich um historische Ereignisse oder Themen, über die ich in meinem Alltag stolpere. Sie sind manchmal lehrreich, manchmal skurril und manchmal einfach nur lustig.
Quellen
- Berkowitz, E. (2012). Sex & Punishment. 4000 Years of Judging Desire. London: The Westbourne Press.
- Burkart, G. (2018). Soziologie der Paarbeziehung. Eine Einführung. https://doi.org/10.1007/978-3-658-19405-5
- Logan, T. D. (2017). Economics, Sexuality, and Male Sex Work. https://doi.org/10.1017/9781316423899
- Mildenberger, F. G. (2019). Sexualgeschichte. https://doi.org/10.1007/978-3-658-27848-9
- Puff, H. (2000). Female Sodomy: The Trial of Katherina Hetzeldorfer (1477). Journal of Medieval and Early Modern Studies, 30(1), 41–62. https://doi.org/10.1215/10829636-30-1-41
- Schneiders, T. G. (Ed.). (2009). Islamfeindlichkeit. Wenn die Grenzen der Kritik verschwimmen. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91692-7