Die Pest. Das Sinnbild für Krankheit, Seuche, Tod und die Entvölkerung ganzer Landstriche. Kaum eine mittelalterliche Plage ist uns modernen Menschen so geläufig wie der „Schwarze Tod“. Klar, es gab auch andere Krankheiten. Antoniusfeuer, Durchfallerkrankungen, Gelbfieber, Grippe, und die grausigen Pocken, um nur einige zu nennen.
Die Pest jedoch ist besonders, weil sie sich in unser kulturelles Gedächtnis bis heute eingebrannt hat. Nach meinem Überblick über die mittelalterliche Medizin und dem Artikel zu Volksmedizin und Magie ist die Pest darum die erste Krankheit in der Serie über mittelalterliche Seuchen, auf die ich spezifisch eingehen möchte. Sie suchte in mehreren großen Pestzügen und vielen kleinen Epidemien Europa heim, und es gab kaum etwas, das man dagegen tun konnte. Für ein besseres Verständnis einiger Fachbegriffe, wie z. B. endemisch, rate ich zur Lektüre des Einführungsartikels.
Was ist die Pest?
Die Pest ist eine durch das Bakterium Yersinia pestis verursachte Infektionskrankheit. Sie hat drei verschiedene Krankheitsbilder: die Beulenpest, die Lungenpest und die zungenbrecherische Pestseptikämie. Das Bakterium, wie wir es heute kennen, wurde 1894 in Indien das erste Mal isoliert und nachgewiesen.
Übertragung der Pest
Übertragen wird das Pestbakterium durch Flöhe, vor allem über den Befall von Nagetieren wie Ratten. Die Wanderratte hält dabei die Krankheit endemisch am Leben, da diese Rattenart das Bakterium über eine große Landschaft verteilen kann, sodass sie nicht ausstirbt. Werden irgendwann gemeine Hausratten angesteckt, tragen diese die Seuche in die Siedlungen. Der Ratten- bzw. Pestfloh kann nämlich auch Menschen beißen. Danach hilft auch der normale Menschenfloh mit, die Krankheit weiterzuverbreiten.
Flöhe: Beißen und Kratzen
Die eigentliche Übertragung der Bakterien geschieht oft durch den Stich des Flohs. Beim Biss wird vom Floh ein Pfropfen aus Blut und Bakterien ausgewürgt, welcher dann in die Blutbahn gerät und so den neuen Wirt ansteckt.
Eine zweite Möglichkeit ist Flohkot. Wer Flöhe hat, den juckt’s. Wen es juckt, der kratzt sich. Dabei kann der Flohkot bei starkem Jucken in die Haut gerieben werden oder in offene Wunden und Ekzeme (entzündete Hautstellen) gelangen. Gerade kleinere Wunden und Hautrisse sind ja normal, wenn man körperlich arbeitet.
Ein wichtiger Teil der Gefährlichkeit von Pest ist, dass Flöhe gut 30 Tage überleben können, ohne dass sie einen neuen Wirt befallen müssen. So lange verharren sie in Ritzen, Lumpen, Stroh, Betten und anderen Verstecken. Lediglich Kälte schätzen sie nicht, denn bei unter 10 Grad erstarren sie.
Husten, Spucken, Rotzen: Tröpfcheninfektion
Wie bei vielen Krankheiten kann man sich an der Pest auch über die Nase und den Mund anstecken. Eben die klassische Tröpfcheninfektion, vor der ja auch während der Schnupfen- und Grippezeit immer wieder gewarnt wird. Gelangen die Bakterien so in die Lunge, bricht alsbald Lungenpest aus.
Ein weitere eklige Gefahr sind auch andere Körperflüssigkeiten. Darunter fällt der Bubonen-Eiter, der aus den Pestbeulen austreten kann, die sich bei Beulenpest auf der Haut bilden.
Beulenpest
Die Beulenpest (auch: Bubonenpest oder engl. bubonic plage) ist sicherlich die bekannteste Pestform unter Mittelalterfans, denn sie ist schlicht am sichtbarsten. Sie wird meist durch den Flohbiss ausgelöst. Wird sie nicht behandelt – mit Antibiotika –, führt sie in gut der Hälfte aller Fälle zum Tod.
Nach 1 bis 6 Tagen entsteht an der Einstichstelle eine Nekrose, die sich blau-schwarz verfärbt. Zwei, drei Tage später beginnen die Lymphknoten in der Gegend um den Flohbiss anzuschwellen. Diese platzen oft auf und eitern dann. Das sind die „Beulen“ in der Beulenpest.
Die nächste Woche über wird der Erkrankte von rasenden Kopfschmerzen, Benommenheit, Fieberschüben und großer Erschöpfung gequält. Danach geht es mit dem Patienten langsam wieder aufwärts, außer er hat Pech.
Durchbrechen die Pestbakterien die Lymphbarriere, dann entsteht eine Blutvergiftung, eben die vorhin schon erwähnte Pestseptikämie. Diese Blutvergiftung endet fast immer mit dem Tod.
Läuft alles gut und es kommt nicht zur Blutvergiftung, dann ist der Patient noch lange nicht fertig mit seiner Tortur. Nach wie vor ist seine Haut mit eitrigen Beulen und Pusteln überzogen. Es gibt Einblutungen in die Haut, der Kranke quält sich mit Verdauungsstörungen und wird von Schwindel heimgesucht. Halluzinationen und psychische Auffälligkeiten sind ebenfalls möglich.
Lungenpest
Die Lungenpest ist nahezu immer tödlich. Bereits ganz am Anfang der Krankheit ist sie hoch ansteckend. Sobald die ersten Symptome auftreten – und sei es nur ein erster Husten –, kann man die Krankheit übertragen.
Problematisch ist dabei auch, dass die Krankheit sehr plötzlich beginnt und dann richtig loswütet. Die Inkubationszeit ist nämlich sehr kurz. Bis die Lungenpest ausbricht, dauert es oft nur 1 bis 2 Tage!
Diese Form der Pest ist gerade deshalb so gefährlich, weil sie sehr schnell ausbricht und sehr schnell ausbrennt – zusammen mit dem Patienten. Die Beulenpest kann hingegen auch überlebt werden, solange die Bakterien nicht die Lymphbarriere durchdringen. Sind die Bakterien in der Lunge, spielt das keine Rolle: die schützende Lymphbarriere ist hier gar nicht vorhanden. Die Lungenpest endet darum nahezu immer mit dem Tod.
Es ist auch kein schöner Tod. Erst kommen Herzrasen, Bluthusten, Atemnot und dann ein Ende durch Ersticken, weil das Lungengewebe zerfressen ist oder die Nervenschäden zu groß werden. Es dauert zumindest nicht lange, bis das Ende naht. Boccaccio berichtet von jungen, kräftigen Männern, die am Morgen erkrankten und am Abend starben. 1 bis 3 Tage sind jedoch normal. Die gesamte Erkrankung, von der Ansteckung bis zum Tod, dauert also kaum länger als der Verlauf einer milden Erkältung!
Ist die Pest erst einmal in der Stadt, ist die Epidemie nicht fern. Meistens ist es dann nur eine Frage der Zeit, bis Beulen- und Lungenpest Hand in Hand auftreten. Neben der Gefahr durch die Tröpfcheninfektion sind gerade ältere Leute und Kinder dadurch gefährdet, dass die Pestbakterien auch bei einer Beulenpest irgendwann auf die Lunge übergreifen.
Die Pest im Mittelalter
Nachdem nun geklärt ist, was die Pest eigentlich ist, wie sie übertragen wird und wie sie sich bei den Erkrankten zeigt, kann ich auch endlich auf die Zeit der großen Pestzüge eingehen, von denen natürlich „der Schwarze Tod“ 1348 der bekannteste ist. Auch zuvor gab es schon „Pestseuchen“ – nur, dass der Begriff in der Antike noch allgemein genutzt wurde und es nicht belegbar ist, dass es sich um die eigentliche Pest handelte. Das liegt auch daran, dass Pocken, Dengue-Fieber oder Typhus viele Symptome miteinander teilen.
Bereits kurz nach dem Ende des Weströmischen Reiches zu Justinians Zeiten (541) können wir dann die Beulenpest aus den Quellen herauslesen. Aus Ägypten verbreitete sich die „Justinianische Pest“ mithilfe des Schiffsverkehrs und fliehender Menschen im Verlauf mehrerer Jahre bis in das heutige Deutschland. Allerdings traf es die Hafenstädte des Mittelmeers besonders hart. Diese Seuche hatte große Auswirkungen auf die Grenzen von Byzanz, denn Feinde von außen konnten die dezimierten Garnisonen problemlos bezwingen. Ironischerweise gerieten sie so ebenfalls zum ersten Mal in Kontakt mit der Pest und kämpften dann wiederum selbst mit der Krankheit.
Der Schwarze Tod
1347 erreichte die große Pestwelle, die wir heute als den Schwarzen Tod kennen, Mitteleuropa. Der Name, der aus dem 16. und 17. Jh. stammt, bezeichnet die großen Pestepidemien des Spätmittelalters, die im 14. Jh. begannen.
Von Zentralasien her erreichte die Pest erst China und rollte dann über Indien und den Mittleren und Nahen Osten hinweg bis ans Mittelmeer und nach Russland. Die gut vernetzten Mongolenreiche mit ihrem Handel, der von Asien bis ins Mittelmeer reichte, förderten die Verbreitung der Pandemie.
Der Schwarze Tod tötete knapp ein Drittel der Bewohner Europas und sorgte dafür, dass die Pest noch auf mehrere Jahrhunderte endemisch immer wieder in kleineren Seuchenherden aufflammte. Mit ihr einher ging auch eine geistige Krise der Kirche, die durch Kirchenspaltung (Gegenpäpste in Avignon) und das Aufkommen alternativer geistiger Zentren (Universitäten) an Führungskraft verloren hatte. Das führte nicht nur zu Pogromen an den Juden in Europa, sondern auch zu asketischen Büßergruppen, die durch Selbstgeißelung die Qualen von Jesus nacherleben wollten. Sie zogen nördlich und südlich der Alpen barfuß durch das Land und flehten vor Kirchen um göttliche Gnade.
Diagnose und Behandlung im Mittelalter
Das Wissen über Ursache und Behandlung war nicht besonders groß. Die Gelehrten wussten aus Alltagserfahrungen, dass die unbekannte Seuche hoch infektiös war und ausgesprochen tödlich. Die Diagnose erfolgte anhand von Symptomen. Pusteln und Beulen auf der Haut konnten ein Hinweis sein, besonders in der Achsel- und der Leistengegend wurde geprüft. Logisch, denn dort kam es zu besonders vielen Flohbissen.
Die Behandlung fußte jedoch nach wie vor auf der galenischen Säftelehre. Womit wir es bei der Pest also zu tun haben, ist nach dem zeitgenössischen Verständnis eine „Fäulnis der inneren Organe“, die mit einem Überschuss an feucht-warmem Blut zusammenhing.
Diese Fäulnis konnte – so die Annahme – durch schlechte Ausdünstungen („Miasmen“) und verdorbene Speisen in den Körper gelangen. Gerade schnell verderbende Speisen wie Fisch standen im Verdacht, Magen und Darm zu infizieren. Besonders gefährlich waren zudem die klassischen Gefahrenquellen, nämlich feuchtschwüles Klima und die warmen Südwinde. Die Luft über stehenden Gewässern wie Sümpfen war ebenfalls eine stete Gefahrenquelle. Ebenso galt es den Atem bereits Erkrankter zu meiden. Darum wurde der Puls auch meist mit abgewandtem Gesicht geprüft.
Der Pesthauch
Die Ideen über die Pest – und das Unverständnis – werden in der Pesthauchtheorie des italienischen Arztes Gentile da Foglio gut zusammengeführt. Er postulierte 1348, dass eine ungünstige Konstellation von Mars, Jupiter und Saturn am 20. März 1345 dazu geführt hatten, dass giftige Ausdünstungen von Land und Meer nach oben gesogen wurden, wo sie sich erhitzten. Diese verdorbenen Winde wurden dann wieder auf die Erde hinabgeschleudert.
Atmete jemand so einen „Pesthauch“ ein, dann sammelten sich in der Lunge und dem Herzen giftige Dämpfe und verdichteten sich dort zu einer „Giftmasse“. Durch Gespräche und das Ausatmen vergiftete man sodann auch Angehörige. Nach Foglio galt es Herz und Lunge zu stärken und Massenepidemien zu verhindern. Für ihn war am wichtigsten, dass man verhinderte, dass Erkrankte wie Tiere sich selbst überlassen wurden und man sie nicht unmenschlich aus der Gemeinschaft ausstieß.
Im selben Jahr, nur einige Monate später, verlangte der französische König von seiner medizinischen Fakultät Rat und Tat. Diese übersetzte die Pesthauchtheorie aus dem Italienischen und stellte sie der Öffentlichkeit vor. Die medizinischen Vordenker der Stadt Paris akzeptierten das Dokument weitgehend. Im Grunde verschleierten sie durch die kritiklose Übernahme der Pesthauchidee aber auch ihre eigene Hilflosigkeit. Sie waren in der undankbaren Lage, dass sie auf Befehl Weise sein mussten. Ein Eingeständnis von Hilflosigkeit hätte schließlich bestenfalls zu Panik geführt. Bekräftigt durch die Autorität der Pariser Gelehrten, wurde die Pesthauchtheorie dann weiterverbreitet.
Behandlung
Die Pariser Ärzte empfahlen in ihrem Gutachten für den französischen König 1348 als wichtigstes Mittel die weite Flucht aus dem betroffenen Gebiet und möglichst späte Wiederkehr. Ansonsten galt es die Luft zu reinigen, nur nach Norden zu lüften und vorbeugend Theriak zu nehmen: ein Mittel, das bereits seit der Antike für eine Vielzahl von Krankheiten herangezogen wurde.
Der Aderlass war eine logische Behandlung infolge der Diagnose von „zu viel feucht-warmem Blut“, denn die Menge des vermeintlich schädlichen Blutes musste ja reduziert werden. Fäulnisgase und verdorbene Speisereste wiederum sollten durch Einläufe und Brechmittel aus dem Körper getrieben werden.
Man hoffte auf die angeblich pestizide Wirkung von Essigwasser, womit Hände und Gesicht gereinigt wurden. Die Luft in den Krankenzimmern, aber auch allgemein in feucht-warmen Zimmern reinigte man derweil mit dem Rauch von Holzfeuern. Ärzte versuchten wiederum, die „pestilente Luft“ mit Duftmittelchen und Essigwasser in den berühmten Pestmasken zu reinigen.
Aus Erfahrung war bekannt, dass warme Luft nach oben stieg – und warme Luft war ja stets pestverdächtig. Darum wurden die Kranken oftmals hoch gelagert, damit sie die Atemluft der Pfleger nicht verderben konnten. Man achtete darauf, dass nur kalter Nordwind in die Zimmer wehte und niemals Südwind.
Die einzigen Mittel, die tatsächlich nachweislich etwas brachten, waren die Flucht vor der Pest – was allerdings die Gefahr der Weiterverbreitung in bis dahin sichere Gebiete bedeuten konnte – und die Isolation der Patienten, was man ebenfalls nach wenigen Tagen bereits begann, denn das Isolieren von Kranken war eine lang erprobte Methode, mit Krankheiten umzugehen. Die Leichen mussten verbrannt werden, denn diese sind bis zu zwei Monate lang noch ansteckend!
Heute helfen zum Glück Antibiotika.
„Geschichtskrümel“ ist eine wöchentlich erscheinende Serie aus Kurzartikeln. Sie soll Spielern und Spielleitern als Anregung dienen und Inspiration fürs Rollenspiel bieten. Die Geschichtskrümel drehen sich um historische Ereignisse oder Themen, über die ich in meinem Alltag stolpere. Sie sind manchmal lehrreich, manchmal skurril und manchmal einfach nur lustig.
Quellen:
- Bergdolt, Klaus. Der Schwarze Tod in Europa. Die Große Pest und das Ende des Mittelalters. 3. durchg. Auflage. München, 1995.
- Jankrift, Kay Peter. Krankheit und Heilkunde im Mittelalter. 2. durchg. Auflage. Darmstadt, 2012.
- Riehm, Julia M., und Thomas Löscher. „Pest und Lungenpest“. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 58, Nr. 7 (12. Juli 2015): 721–29.
- Robert-Koch-Institut: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Pest.htm
- Foto der Pestärzte: 70023venus2009 (flickr) / CC BY-ND