Genau wie die Alliierten 1944 entschied sich Edward III. 600 Jahre früher ebenfalls, seine Invasion Frankreichs in der Normandie zu beginnen. Die Invasion folgte auf mehrere missglückte Versuche, die englischen Besitzungen auf dem französischen Festland zu sichern. Diese machten paradoxerweise Edward III. gleichzeitig zum König der Engländer und zu einem Vasallen des französischen Königs Philipp IV. Diese Invasion führte auch zur berühmten Schlacht bei Crécy, die fast jedem Mittelalter-Aficionado ein Begriff ist. (Einen Teil der Vorgeschichte, nämlich wie Richard Löwenherz in Frankreich zu Tode kam, könnt ihr hier nachlesen)
Hier geht es allerdings nicht um die Kampagne und die Schlachten. Stattdessen möchte ich über etwas ganz anderes sprechen, nämlich über Riten und Symbole zu Beginn der Invasion. Genau wie moderne Generäle und Staatenlenker mussten auch mittelalterliche Könige ihren Leuten bewusst machen, wofür genau sie kämpften.
Im Falle von Edward III. ging es im Kern um Machtpolitik. Er wollte das abtrünnige Schottland, das sich mit Frankreich verbündet hatte, für die englische Krone zurückgewinnen, und er hatte die direkte Konfrontation mit Philip IV. gesucht, als er die Königswürde von Frankreich für sich selbst beanspruchte – mit ziemlich schlechter Grundlage allerdings.
Im Juli 1346 landete König Edward mit einer Invasionsflotte in der Normandie. Allerdings begann er nicht damit, Truppen zu inspizieren, seine Armee in Bewegung zu setzen und Ähnliches. Stattdessen begab er sich mit einer Schar von Getreuen direkt in die Kirche von St.Vigor, eine Kapelle hoch über der Bucht.
Die Macht von Symbolen
Edward III. trug einen Wappenrock mit den englischen Löwen und den französischen Lilien – jeder sollte sehen, welchen Anspruch er auf die Krone von Frankreich erhob.
Dabei blieb es aber nicht. Vor dem Altar verlieh er seinem sechzehnjährigen Sohn die Ritterwürde. Und nicht nur ihm. Auch die Söhne anderer wichtiger Verbündeter erhielten hier und jetzt – auf feindlichem Boden – vom König persönlich die Ritterwürde verliehen.
Darunter auch der Sohn eines Feindes, den Edward während seines Aufstiegs zum König verhaftet hatte, um ihn des Verrats anzuklagen und hinzurichten. Noch hatte dieser junge Mann, Mortimer, nicht den Titel seines Vaters erhalten, aber mit dem Ritterschlag sandte der König ein Zeichen: Kämpfe treu, und du hast eine gute Chance, deinen Titel zu erben. Dem König war wohl bewusst, dass er, nach einer langen Zeit von Konflikten im eigenen Land, nun die Reihen schließen musste. Rivalitäten mussten enden, denn ein größerer Feind wartete.
Diese Ritterschläge zum Beginn eines Feldzugs waren üblich. Die jungen Ritter waren sich bewusst, dass man erwartete, dass sie sich nun bewiesen. Gleichzeitig dienten sie als Vorbild für andere, die hoffen konnten, dieselbe Würdigung zu erfahren.
Das zweite Symbol, das sich Edward III. zunutze machte, war der Baron von Harcourt. Noch acht Jahre zuvor hatte dieser dem französischen König Truppen gestellt, bevor er über die Niederlande nach England fliehen musste, weil er in Ungnade gefallen war. Harcourt kniete nicht vor Edward als dem König von England, sondern als Erster der französischen Vasallen vor dem „König von Frankreich“. Es war ein wichtiges Zeichen, dass ein mächtiger Adliger aus Frankreich ihn anerkannte – gerade weil sein Anspruch auf den Thron doch eher konstruiert war.
Zu guter Letzt wurde auch noch die neue königliche Standarte entrollt. Erneut teilten sich die englischen Löwen die Fahne mit den Lilien der französischen Könige. Damit trug er seinen Anspruch auf Frankreich gut sichtbar für jeden vor sich her. Seine Intention war öffentlich, und der Krieg begann.
Was kam vorher? Eine fast einjährige Vorbereitungsphase, bei der die englische Krone ihre Kompetenz bewies. Mehr dazu in diesem Artikel.
„Geschichtskrümel“ ist eine wöchentlich erscheinende Serie aus Kurzartikeln. Sie soll Spielern und Spielleitern als Anregung dienen und Inspiration fürs Rollenspiel bieten. Die Geschichtskrümel drehen sich um historische Ereignisse oder Themen, über die ich in meinem Alltag stolpere. Sie sind manchmal lehrreich, manchmal skurril und manchmal einfach nur lustig.
Quelle: Livingstone, Marilyn, und Witzel, Morgen . The Road to Crécy: the English Invasion of France 1346. New York, 2013 (2005).
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