Das Gerichtswesen der frühmittelalterlichen Bewohner des heutigen Frankreich und Deutschland unterscheidet sich deutlich vom römischen, auch wenn der Kontakt mit den Römern spürbaren Einfluss auf das Recht der „Barbaren“ hatte. Wie viel Einfluss das römische Denken hatte, das unterschied sich von Volk zu Volk. Das Gerichts- und Rechtswesen der Franken enthält von den überlieferten Volksrechten noch am deutlichsten „eigene“, vorrömische Elemente.
Im fränkischen Königreich (Merowinger, Karl der Große etc.) unterlagen Unfreie oftmals dem Hofrecht und mussten zum Hofgericht ihres Herrn. Freie hingegen wandten sich für ihre Rechtsangelegenheiten – grundsätzlich zumindest – an kirchlich oder königlich legitimierte Gerichte.
Die Hundertleute und andere Justizbeamten
Die hauptsächlichen Justizbeamten des Reichs waren die Grafen und die ihnen unterstellten Centenarii oder Thunginii. Diese „Hundertleute“ (Bezug nehmend auf eine Verwaltungseinheit) saßen den Gerichten vor. Sie führten die Verhandlung und administrierten die Gerichtsverhandlung. Allerdings war es nicht ihre Aufgabe, Recht zu sprechen. Diese Aufgabe fiel den Rachimburgi zu. Jeder Rachimburge – üblicherweise 7 – entstammte der Gemeinde, in der Gericht gehalten wurde. Das Auswahlverfahren der Rachimburgi ist leider nicht überliefert.
Versagte dieses Volksgericht, dann blieb noch die Appellation an den König, der als Quelle des Gesetzes und damit als oberster Richter fungierte. Das erklärt auch die regelmäßigen Reisen des Königs, denn die Fristen, um den König einzuschalten, waren recht kurz, sodass es wichtig war, ihn gut erreichen zu können.
Das Gericht war allerdings kein „staatliches“ Gericht im modernen Sinne. Der König, vertreten durch Grafen und Hundertleute, stellte lediglich ein ordentliches Tribunal zur Verfügung. Vor dieses Tribunal konnten nun Fälle getragen werden. Egal ob es um Schadenersatz für beschädigtes Eigentum oder Wergeld („Blutgeld“) für einen getöteten Verwandten ging, alle Fälle waren im Grunde Teil von „Zivilrecht“. Brachte kein Verwandter des Getöteten einen Mörder vor Gericht, dann klagte ihn kein Staatsanwalt oder etwas Ähnliches an.
Beweise!
Die wichtigsten Beweismittel waren Zeugen, Eide und das Gottesurteil. Am häufigsten waren Eide. Zeugen sind selbsterklärend, darum erkläre ich dazu nichts weiter. Im Falle des Eides hingegen leisteten Ankläger und Angeklagter einen Eid, der seine Version der Dinge beschwor. Nun ging es darum, Eideshelfer zu finden, welche sich bereit erklärten, den Schwur zu unterstützen. Sie waren allerdings keine Zeugen, sondern Leute, die willens waren, ihren guten Namen für eine der beiden Seiten in den Ring zu werfen. Zögerte einer der Eideshelfer beim Ablegen des Eides oder verweigerte er ihn sogar, dann verlor „seine“ Seite den Prozess.
Ordneten die Rachimburgi nach einigen Vorüberlegungen und Prüfung des Falls das Gottesurteil an, dann war das im Falle von Freien meist eine Prüfung mit kochendem Wasser. Derjenige, der den Beweis schuldig war, musste einen Stein oder einen anderen Gegenstand aus einem Topf mit kochendem Wasser fischen. War die Wunde, die daraus hervorging, „rein“, dann hatte er erfolgreich seine Version der Dinge bewiesen. Bei den Franken war es bis zu einem gewissen Grad des Vergehens dem Angeklagten auch möglich, sich von der Prüfung direkt freizukaufen.
Unfreie
Unfreie hingegen konnten keine Eideshelfer stellen und waren damit auf Zeugen oder das Gottesurteil angewiesen. Die Prüfung des heißen Wassers war hierbei unüblich – nur schon, weil das menschliche Eigentum seines Herrn dadurch beschädigt worden wäre. Stattdessen prüfte man ihn im Losverfahren, also durch ein Zufallssystem. Der Sklave hatte also keine besonders gute Chance in diesem System, aber wenn er Glück hatte, war das Verfahren danach eindeutig beendet.
Urteilspruch
War Schuld oder Unschuld festgestellt, dann sprachen die Rachimburgi das Urteil und verkündeten die Strafe, die in fast allen Fällen entweder aus einer Geldstrafe (Freie) oder aus Schlägen (Unfreie, die sich aber oftmals von den Schlägen freikaufen konnten) bestand. Schadenersatz und Strafe waren dabei immer getrennt. Egal ob es um Dinge oder Menschen ging.
„Geschichtskrümel“ ist eine wöchentlich erscheinende Serie aus Kurzartikeln. Sie soll Spielern und Spielleitern als Anregung dienen und Inspiration fürs Rollenspiel bieten. Die Geschichtskrümel drehen sich um historische Ereignisse oder Themen, über die ich in meinem Alltag stolpere. Sie sind manchmal lehrreich, manchmal skurril und manchmal einfach nur lustig.
Quelle: Fischer Drew, Katherine: The Laws of the Salian Franks. Philadelphia 1991.
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