NSC variieren in ihrer Wichtigkeit. Die meisten sind einfache Statisten. Nicht einmal zwingend ein Name, ein Job und eine einzige Aufgabe für die Geschichte. Man sollte sie bloß nicht von hinten betrachten, denn schlimmstenfalls sind sie hohl und aus Pappmaché, genau wie das Haus, vor dem sie sitzen. Der Statist ist genauso Requisite wie die Burg, die Marktstände oder das tote Pferd, was von den Banditen zeugt, welche die Heroen jagen.
Spielleiter müssen Dutzende NSC verwalten: Statisten, sprechende Statisten, Nebenrollen, die mehrfach auftauchen, und natürlich die Gegenspieler mit ihren wichtigsten Helfern und Helfershelfern. Das ist logischerweise eine Menge Arbeit, gerade wenn man nicht präzise arbeitet und sich unnötige Gedanken zu NSC macht, welche am Ende gar keine Rolle in der Geschichte oder dem Abenteuer spielen. Es ergibt also Sinn, einmal darüber nachzudenken, was NSC eigentlich ausmacht, damit du interessante Nebencharaktere entwerfen kannst.
Typen von NSC
Um zu wissen, wie viele Gedanken man sich zu einem NSC machen muss, hilft es zu verstehen, was seine Aufgabe innerhalb der Geschichte ist. Ich verwende dazu eine grobe Einteilung, die im Kern den Praktiken von Film und Fernsehen folgt.
(Sprechende) Statisten
Statisten und sprechende Statisten bevölkern den Hintergrund. Statisten sind reines Dekomaterial oder Kanonenfutter, wohingegen sprechende Statisten auch schon mal eine Information oder zwei an die Spieler weitergeben dürfen. Ein Beispiel für diese Kategorien wären beispielsweise der Unteroffizier, der am Tor meine Papiere kontrolliert, und die Wache, die hinter ihm steht. Der Unteroffizier wäre ein sprechender Statist und der Wachmann ein Statist.
Die Aufgabe von Statisten ist der Kulisse recht ähnlich. Sie geben dem Ort ein Thema oder sie dienen als Info-Säule. Entweder durch gesprochene Hinweise, Dialoge, die man hören kann, während man an ihnen vorbeigeht, oder auch einfach nur durch ihr Aussehen oder ihre Handlungen. Sie beleben die Welt und verfügen über kaum charakterliche Tiefe. Meist kann man sie auf ihren Job reduzieren und auf das, was sie direkt tun.
Nebenrollen
Nebenrollen sind schon etwas komplexer als sprechende Statisten. Sie sind erkennbare Charaktere und tragen etwas zur Geschichte bei. Wäre „Der Wirt irgendeiner Kneipe“ ganz klar ein Statist, dann ist Pirate Jack, der Veteran, der mit Henry Morgan gesegelt ist und jetzt die Lieblingskneipe der Schiffscrew im Heimathafen der Spielercharaktere betreibt, eine Nebenrolle. Eine Nebenrolle hat eine erkennbare Persönlichkeit und verwickelt die Protagonisten vielleicht sogar das eine oder andere Mal in eine kleine oder große Geschichte.
Die Aufgabe eines NSC in einer Nebenrolle ist es, die Protagonisten und andere Schlüsselfiguren zu unterstützen, sich innerhalb der Geschichte zu entfalten, ihnen im Weg zu stehen oder das Szenario durch sein Handeln und seine Anwesenheit interessanter, bunter und lebendiger zu machen. Nebenrollen sind auch optimal, um etwas Jux und Dollerei ins Spiel zu bringen und so für etwas Auflockerung zu sorgen.
Hauptrollen/Schlüsselfiguren
Hauptrollen/Schlüsselfiguren sind Eckpfeiler der Geschichte oder sogar der Kampagne an sich. Zwar sind die Protagonisten im Allgemeinen die Spielercharaktere, aber dennoch gibt es meist eine Handvoll NSC, welche die Geschichte mit definieren. Ein Antagonist ist natürlich eine Schlüsselfigur, aber Antagonisten betrachte ich immer als Sonderkategorie, weil sie einfach zu wichtig sind. Meist wird beim Kreieren der Geschichte recht schnell klar, welcher NSC eine Hauptrolle ist und für wen es nur zur Nebenrolle reicht.
Eine Schlüsselfigur hebt sich vor allem dadurch von einer Nebenrolle ab, dass sie über eine komplexere Persönlichkeit verfügt und oftmals eigene Ziele verfolgt, welche direkt mit der Geschichte verwoben sind oder großen Einfluss darauf haben könnten. Charaktere, die in jeder Sitzung wieder auftauchen und mit denen die Spielercharaktere immer wieder interagieren, sind regelmäßig Hauptrollen, die den angemessenen Aufwand beim Darstellen und Charakterisieren verdienen.
Die Aufgaben von Schlüsselfiguren sind meistens spezifisch für eine Geschichte oder eine Kampagne, aber viel wichtiger ist, dass sie vollwertige Charaktere sind, welche Einfluss nehmen und die Geschichte mitgestalten können.
Antagonisten
Ein Antagonist ist neben den Spielercharakteren der Träger der Geschichte. Meist gibt es nur einen, der aber von einigen Schlüsselfiguren unterstützt oder bekämpft wird. Er verfolgt den Protagonisten entgegengesetzte Ziele (darum ja auch Antagonist). Der Geschichte und den Herausforderungen, welche damit einhergehen, ein Gesicht zuschreiben zu können, ist oft sehr nützlich für die Spieler, um abstrakte Geschichten konkreter zu machen. „Das Böse“ ist eben nicht das Gleiche wie „der Böse“.
Es gilt: Je besser der Antagonist, desto besser die Geschichte. Darum benötigt der Antagonist eine Persönlichkeit, welche den Spielercharakteren in nichts nachsteht. Eine nachvollziehbare Motivation und Ziele sind ein Muss. Das ist nur schon deswegen nötig, weil die Spielercharaktere ja regelmäßig die Pläne ihres Antagonisten durchkreuzen werden. Ein gut ausgearbeiteter Charakter erlaubt es dem Spielleiter viel besser, die Pläne des Antagonisten anzupassen, ohne dass er dabei inkonsistent wirkt.
Die Hauptaufgabe des Antagonisten ist es, die Themen der Geschichte zu verkörpern und sie in seiner Person zu bündeln. Er ist der Avatar der Schwierigkeiten, welche noch auf die Spieler warten. Er fordert sie moralisch, charakterlich und physisch heraus, und seine Persönlichkeit prägt Look&Feel der Handlungen der Widersacher.
Ordnung halten
Egal wie man seine NSCs entwirft, am Ende hat man eine Collage an unterschiedlich wichtigen Personen, über die man irgendwie den Überblick behalten muss. Dabei gibt es mehrere Herausforderungen. Man muss sie als Allerstes irgendwie technisch ordnen, also in einer Datei speichern, in mehreren Dateien, auf Papier aufschreiben, in einer Datenbank sortieren, Karteikarten erstellen etc.
Jede Art, NSC zu sortieren, hat ihre Vor- und Nachteile. Wir haben für unsere Spielgruppe früher beispielsweise ein Wiki betrieben, wo angetroffene NSC eingetragen werden konnten. Das versumpfte meistens so nach den ersten 5–10 Spielsitzungen, weil einfach keiner mehr Lust hatte, diese Fleißarbeit zu erledigen.
Dann kann man natürlich ganz klassisch mit Papier arbeiten. Das funktioniert, besonders wenn man einen schönen altmodischen Ordner hat. In diesem Fall sollte man aber immer mal wieder Reinschriften vornehmen und unnötig gewordene Charaktere aus- oder umsortieren.
NSC wiederum über Dutzende Dateien zu verteilen, benötigt ein gutes Benennungssystem und zwingt einen, potenziell viele Dateien zu öffnen. Kann man aber machen, wenn man möchte.
Am Ende muss da jeder seinen eigenen Weg finden, wie er über längere Zeit die NSC einer Kampagne erhält – und sie vor allem auch wieder findet.
Wir verwenden in unserer Gruppe zwei Systeme parallel. Zum einen Notizzettel für kurzfristige Notizen innerhalb der Sitzung („NSC aufgetaucht, war wichtig, aufschreiben“) und zum anderen Mind-Map-Dateien (in unserem Fall das Programm XMind).
Das hat den Vorteil, dass wir mehrere Ordnungsstrukturen gleichzeitig nutzen können. Erst einmal gibt es in vielen Mindmappingprogrammen gute Möglichkeiten, Hierarchien darzustellen, z.b. in Baumform. Ausserdem kann man einzelne auf- und zuklappbare Infoboxen anhängen. Selten gebrauchte Charaktere verbrauchen also weniger Platz. Zudem kann man mit verschiedenen Farben arbeiten, was dem Ganzen noch mal weiterhilft. Wir haben beispielsweise einmal in einer Story über ein Army-Platoon die Hautfarben der einzelnen Charaktere direkt als Farbe abgebildet – das spart Textplatz.
Was ebenfalls sehr gut funktioniert und quasi die Analogversion davon ist, sind Karteikarten, denn die wichtigen Informationen über einen NSC sind meist recht überschaubar. Für wichtige NSC kann man natürlich auch ein richtiges Dossier anlegen, wie man es eventuell auch für einen Spielercharakter pflegt. (Das Charakterdossier hier funktioniert auch für wichtige NSC prima.) Man kann sich auch immer für einzelne Sitzungen die wichtigsten NSC auf Papier rausschreiben – selbst wenn man sie am Laptop sofort verfügbar hätte. Man denkt ja auch beim Aufschreiben noch mal über sie nach und hat sie danach physisch zur Hand – das hilft dem Hirn. Für den ganz modernen Spielleiter gibt es auch Charakterverwaltungstools als Cloud-Service. Immer mit dem Nachteil, dass man ganz auf den Betreiber angewiesen ist.
Das richtige Ordnungsschema
Wenn man nun weiß, wo man seine NSC aufschreiben will, kommt die nächste Frage auf: Wie ordnet man sie? Das ist gar nicht so trivial, wie es im ersten Moment klingt – man muss sie ja wiederfinden.
Ordnet man NSC danach, wo man sie das erste Mal angetroffen hat? Das geht, aber führt dazu, dass man sich das auch merken muss, was gerade dann blöde ist, wenn sich NSC bewegen. Funktioniert also prima in einem Setting, das recht stabil und konsistent ist, z.B. in einer Kleinstadt mit ihrer Umgebung.
Man kann sie natürlich alphabetisch sortieren, aber das ist meist eher unpraktisch, außer man nutzt eine Datenbank oder eine Excel-Tabelle, die man nach mehreren Kriterien sortieren kann – aber dann ist es ja wieder obsolet.
Man könnte sie natürlich nach den oben erwähnten Kriterien (Statist, Hauptrolle…) sortieren, aber davon rate ich ab – das spielt schließlich für die Geschichte und die Welt direkt keine Rolle sondern ist nur eine Denkhilfe für die Planung.
Ich persönlich ordne NSC nach Zugehörigkeit und Geografie als Zusatzkriterium. Das kann Familienzugehörigkeit bei Großfamilien sein oder die Zugehörigkeit zur US Army. Ist jemand einmal keiner spezifischen Story-Fraktion zugehörig, dann ist eine Auffangkategorie wie „Andere“ oder „Bürger von Winningen“ meist übersichtlich genug. Geografie wird dann wichtig, wenn einige Fraktionen ortsübergreifend wichtig sind, beispielsweise „US Army im Irak, Firebase Laramy, Delta-Platoon“. Als Baumdiagramm kann ich jeweils schöne Unterkategorien erstellen, die ich einfach zuklappe, solange sie nicht wichtig sind.
Bonustipp: Gebt jedem Charakter einen Namen, selbst wenn es nur ein interner Codename ist. Es ist viel einfacher, einen NSC ernst zu nehmen und sich an ihn zu erinnern, wenn er eine echte Bezeichnung hat. Das kann auch abstrakt sein wie „Der Metzger von der East-Street“, aber dann muss er der einzige „der Metzger“ sein, also ist es einfacher ihn zu „Harry Wallace, dem Metzger von der East-Street“ zu machen. NSCs mit Namen sind dann nicht mehr „irgendwer“, sondern eine Person – selbst wenn sie nicht viel mehr als einen Namen erhalten sollten und ewige Statisten bleiben.
Zusammenfassung
Um zu verstehen, wie wichtig ein NSC ist, kann man ihm während der Planung ein Label verpassen. Ich verwende dazu Filmbegriffe und bei uns gibt es Statisten, sprechende Statisten, Nebenrollen, Hauptrollen/Schlüsselfiguren und Antagonisten. Je wichtiger ein Charakter ist, desto kompletter wird er ausgearbeitet.
Damit diese NSC auch genutzt werden können, muss man sie verwalten. Dazu kann man verschiedenste Methoden verwenden. Für uns hat sich das Programm XMind in Verbindung mit Papiernotizen bewährt. Ein Mindmapping-Programm wie XMind hat den Vorteil, dass man mit Farben, Hierarchien und Verknüpfungen arbeiten kann.
Ich ordne meine NSC nach ihrer Zugehörigkeit zu Storyrelevanten Fraktionen und sekundär nach der Geografie.