Fast jeder kennt das Konzept, und die meisten kennen den Namen: Redshirts, englisch für Rothemd. Der Name kommt aus Star Trek. Dem Original aus den 60ern. Die Sicherheitsleute und die Techniker der Enterprise trugen Rot, und es waren Angehörige dieser Abteilungen, die immer dann den Blutzoll zahlten, wenn es opportun war, anzuzeigen, wie gefährlich eine Situation war. Man könnte auch Kanonenfutter sagen, aber wir wollen diese beiden Begriffe hier voneinander getrennt halten. Dazu mehr im Verlauf dieses Artikels. Das Konzept kann man jedenfalls auch im Pen & Paper Rollenspiel hervorragend benutzen.
Redshirts
Trossvolk in der Heldengruppe zu haben, ermöglicht einem Spielleiter, genau das zu tun, was auch die Macher von Raumschiff Enterprise taten. Wenn es opportun erscheint, einen Charakter zu töten, zu verwunden, zu verschleppen oder mit Krankheit zu schlagen, so kann er dies mit einem Charakter tun, der nicht von einem Spieler gesteuert wird. Wenn die Spielergruppe ohne Trossvolk in den Wald der Blutelfen eindringt, gibt es nur zwei Wege zu zeigen, was für heimtückische Heckenschützen die Blutelfen sind: Einer der Spielercharaktere wird von einem Pfeil schwer verwundet oder getötet, oder aber der erste Pfeil geht daneben. Dann aber erscheinen die Feinde weniger kompetent und tödlich, als sie ja eigentlich wirken sollen.
Man kann das als eigenen Topos akzeptieren, und man nennt das dann auch das Imperiale Sturmtruppen-Syndrom (und Varianten davon), aber es funktioniert nur dann, wenn alle am Spieltisch diese Erklärung akzeptieren und unkommentiert lassen. Sobald nämlich Witze darüber gemacht werden, dass die Bösen ohnehin nie beim ersten Schuss treffen, leidet die Dramaturgie der Situation.
Der erste durch die Tür muss sterben!
Besser ist es in solchen Situationen, wenn es NSCs gibt, die es für die Spieler ausbaden. Natürlich kann man solche Charaktere kurzfristig an die Gruppe ankoppeln. Der Förster, der als Wegbegleiter fungiert. Der Zeuge des Verbrechens, der die Helden zum Schauplatz bringt usw. Es ist möglich, aber es erschöpft sich rasch und hat nicht dieselbe emotionale Tiefe. Trossvolk jedoch begleitet die Gruppe über einen längeren Zeitraum, also zumindest mittelfristig. Es ist nicht sein primärer Zweck, ermordet oder verwundet zu werden, weshalb es nicht so billig wirkt, wenn es geschieht.
Selten spannend: Krankheiten
Dabei geht es auch gar nicht nur um Todesfälle! Krankheiten sind ein gutes Beispiel. Krankheiten und Vergiftungen gehören mit Abstand zu den langweiligsten Dingen, die man einem Spieler antun kann. Es gibt dem Spieler nichts, mit dem er arbeiten kann, außer auszuspielen, wie sein Charakter stöhnt und wimmert! Ich habe noch nie einen Spieler getroffen, der es mochte, eine halbe bis ganze Spielsitzung durch Krankheit, Gift oder anderes Siechtum ausgeschaltet zu sein. Es gibt diesem Spieler einfach nichts.
Warum also machen tun Spielleiter ihren Spielern immer wieder an? Lasst das sein und lasst stattdessen das Trossvolk leiden. Alle Vorteile bleiben erhalten, aber ohne die Nachteile. Der Koch liegt vergiftet darnieder? Prima. Ein Gegenmittel muss gefunden werden, denn sonst stirbt er. Mit dem Unterschied, dass nun alle Spieler Spaß daran haben können. Ein Verwundeter muss mühsam transportiert werden? Gleiche Situation. Ein Spieler, dessen Charakter aus dem Spiel genommen wird, ist kein glücklicher Spieler.
Man muss nur darauf achten, die Trosscharaktere, die gequält, verletzt, vergiftet und entführt werden, im Voraus mit ausreichend Persönlichkeit auszustatten, damit die Spieler sie zumindest ein wenig mögen und sie im besten Fall sogar als gute Kameraden schätzen. Alternativ müssen sie zumindest nützlich und wichtig genug sein, um gebraucht zu werden.
Bei Redshirts, die ihr Leben lassen, sollte man jedoch aufpassen. Tötet niemals leichtfertig einen Tross-NSC, der den Spielern so richtig ans Herz gewachsen ist, wenn sein Tod nichts bedeuten soll. Unterschätzt niemals die Verbundenheit, die leidenschaftliche Dramaspieler zu bestimmten Trosscharakteren entwickeln können.
Kanonenfutter
Schon allein das Wort Kanonenfutter spricht Bände. Und tatsächlich erklärt es erschreckend umfassend, worum es sich dabei handelt. Der Feind hat Kanonen, die hier analog zu einem Monster zu betrachten sind. Dieses Monster frisst Männer. Wenn ich aber genug Männer auf das Monster hetze, hat es sich irgendwann überfressen und kann überrannt werden. Genau so funktionierte dies mitunter historisch tatsächlich mit Kanonen. Irgendwann geht dem Feind die Munition aus oder er kann nicht mehr schnell genug nachladen. (Bei einer Burgerstürmung sterben bisweilen bis zu 40% der Angreifer!)
Menschenverachtend? Sicher. Aber Krieg ist durch und durch menschenverachtend. Wer großen Respekt vor Menschenleben hat, vermeidet Krieg, wo er nur kann. Natürlich hat man nicht immer eine Wahl, Spätestens auf dem Schlachtfeld mit einem zu allem entschlossenen Gegner bleibt selbst einem überzeugten Pazifisten nur noch die Kapitulation vor dem Feind, wenn er den Kampf vermeiden will.
Wer stirbt für die Sache?
Aber was geschieht nun, wenn Helden in eine solche Lage kommen? Wenn sie in eine Situation geraten, wo Opfer gebracht werden müssen? Der sprichwörtliche Held – im antiken, griechischen Sinne von Heldentum – bringt dieses Opfer selbstverständlich höchstpersönlich. Er stirbt für das, woran er glaubt, denn erst das macht ihn zum Helden. Auch im Rollenspiel kommt das immer wieder vor, aber man kann es nur einmal machen. Es mag zwar heldenhaft sein, die Brücke gegen eine feindliche Übermacht zu halten, um dem Rest die Flucht zu ermöglichen. Keine Heldengeschichte sollte jedoch damit enden, dass der Heroe an der Ramme stehend am Burgtor fällt, weil ihm jemand einen Eimer heißen Teer auf den Kopf gekippt hat.
Genau hier zeigt das Trossvolk wieder seinen Wert, denn manchmal gibt es im Zuge einer Geschichte Situationen, wo es absehbar ist, dass jemand ins Gras beißen wird. Heroisch ist es nur dann, wenn es sicher passiert und der auserwählte Tote sich bewusst dafür entschied. Aber was ist mit dem Durchbrechen des Burgtors? Oder dem Ablenkungsangriff, der es den eigentlichen Helden ermöglichen soll, dem Feind in den Rücken zu fallen? Der Unterschied zum Redshirt besteht darin, dass Todesfälle und Verwundungen absehbar sind. Vermutlich planen die Spieler und ihre Charaktere sogar mit diesen Verlusten. Wann immer das der Fall ist, sofern es sich mehr um militärisch/taktische Notwendigkeit handelt als um dramatische Heldentode, ist es opportun, Charaktere aus der zweiten Reihe zu opfern und die echten Helden der Geschichte zu schonen. Schon allein damit sie die Chance haben, wahrhaft heldenhaft zu sterben. Nur später, auf dem Höhepunkt der Spannungskurve.
Zusammenfassung
Trossvolk kann den Blutzoll zahlen, anstelle der Protagonisten. Sei es aus dramaturgischen Gründen (Redshirt) oder aus taktischen Abwägungen und Notwendigkeiten (Kanonenfutter).