Ein Schauspieler, der die Acting Method verwendet, verleiht seiner Figur Glaubwürdigkeit und Tiefe, indem er auf eigene Erfahrungen und Gefühle zurückgreift. Er denkt an Dinge, die ihn selbst traurig machten, wenn seine Figur traurig ist. Er denkt an Erlebnisse, die ihm selbst große Angst machten, wenn sein Charakter Angst empfindet. Durch diesen Abruf echter Emotionen verleiht er der Figur etwas, das über die Fiktion hinausgeht. Etwas das tatsächlich echt ist.
Was für Emotionen und Gedanken gilt, das trifft allerdings auch auf Ideen und Konzepte zu. Wer nicht weiß, was ein Astrolabium ist, kann anderen auch nicht sagen, dass sie eines sehen.
Die Grenzen des Einzelnen sind die Grenzen aller
Unglücklicherweise sind Rollenspieler keineswegs allwissend. Was ein Spielleiter nicht kennt, das kommt auch in seinem Spiel nicht vor und was er zwar kennt, aber nicht versteht, das kann zwar existieren, aber nie eine echte Rolle in einer Geschichte spielen.
Schlimmer noch! Wenn ein Spielleiter etwas nicht kennt oder es nicht versteht, dann kann er nur schlecht damit umgehen, wenn ein Spieler sich mit einem Thema sehr wohl auskennt. Setzt der Spielleiter wiederum darauf, dass seinen Spielern ein bestimmtes Konzept wohlbekannt sein müsste, diese aber keinen blassen Schimmer haben, so kann ein Plot an die Wand fahren, der es erfordert,darauf basierende Schlüsse zu ziehen.
Hier wird dann oft gewürfelt, aber das bedeutet ja nur, dass der Spieler noch einmal wiederholt, was die Spielleitung ihm erzählt. Das ist darum lediglich eine Krücke, um über einen spontanen Hänger hinwegzuhelfen. Die Agency der Spieler und das befriedigende Gefühl, etwas gewusst zu haben, das bleibt dann aus.
Das Spiel wird also nicht nur eingeschränkt durch das Wissen und Verständnis der Spielleitung, sondern auch durch Wissen und Verständnis aller Mitspielenden. Wie aber geht man damit am besten um? Welche Tricks und Kniffe können dabei helfen, schwierige Situationen (sprichwörtlich) zu meistern?
Leben heißt Lernen
Arthur C. Clarke sagte, dass es im Leben kein würdigeres Ziel geben kann, als die Erschaffung von Schönheit und das Streben nach Wissen.
„[…] in the long run the only human activities really worthwhile are the search for knowledge, and the creation of beauty. This is beyond argument, the only point of debate is which comes first.“
Zu wissen, dass man nichts weiß, ist der richtige Ansatz, um nach mehr Wissen zu streben. Wer ein guter Rollenspieler sein möchte, der sollte genau das tun, denn Rollenspiel ist letztlich genau das, wovon Arthur C. Clarke da sprach! Es ist Kunst und damit Teil all dessen, was schön ist und es ist ein guter Vorwand nach mehr Wissen zu streben. Bei der Frage ein möglichst guter Rollenspieler zu werden geht es aber nicht um richtiges oder falsches Rollenspiel. Richtig ist, was Spaß macht, was zu tollen Erinnerungen führt oder hilft den gemeinsamen Erfahrungshorizont zu sprengen und zu erweiterten.
Jedoch ist unsere Werkzeugkiste, die wir benutzen, um unsere Geschichten zu spielen oder zu erzählen nur so gut bestückt, wie das was wir hineintun. Je mehr Werkzeuge wir haben, desto großartigere Dinge können wir damit auch bauen.
Das ist genau wie mit LEGO-Steinen. Wenn ich nur 20 graue Steine habe, braucht es schon eine Menge Fantasie, um etwas damit anzufangen, und selbst wenn ich diese Fantasie hätte, wäre mir besser gedient mit 200 Steinen und vielen bunten Farben. Ich muss nichts von Politik verstehen, um Rollenspiele zu spielen, aber ich kann erst politische Plots spielen, wenn ich ein wenig von Politik verstehe. Das betrifft letztlich jede spielbare Thematik.
Zielgerichtetes Lernen
Einer der wichtigsten Gründe, weshalb ich Rollenspiele so liebe, ist dass sie mir eine niemals endende Ausrede zu lernen geben. Natürlich kann man Dinge ganz einfach so, ohne guten Grund lernen. Rein theoretisch und grundsätzlich betrachtet zumindest. Tatsächlich aber können wir Menschen das überhaupt nicht gut. Wir lernen am allerbesten dann, wenn uns etwas interessiert und wenn wir begeistert sind.
Ich brenne für mein Hobby! Rollenspiele sind meine absolute Leidenschaft. Geschichten zu erzählen und sie mit anderen zusammen zu spinnen, das Drama, die Action, die emotionalen Höhen und Tiefen, sowie das Maß an persönlicher Nähe und Einzigartigkeit, die nur im Zusammenspiel narrativer Interessen entstehen können… Kein anderes Hobby der Welt könnte mir das ersetzen!
Nutze Sekundärquellen
Was auch immer du spielst: Wenn es dir viel Spaß macht, dann solltest du unbedingt Sekundärquellen zu dem Thema suchen, um das sich dein Spiel dreht! Du spielst eine Horror-Kampagne in den 20er Jahren? Dann lies doch ein paar Bücher über die Zeit, oder Geschichten die in der gleichen Epoche spielen. Schau passende Filme und höre in die Musik der Zeit rein. Im Zweifel iss auch mal etwas, was auch deine Spielfigur essen würde.
Tipp: Wer etwas Englisch kann und sich für die Frühe Neuzeit interessiert, findet bei Townsends Unmengen kurze Videos mit spannenden Einblicken und Rezepten aus der Küche des 17. und 18. Jh!
Details machen aus gut erst großartig
Je mehr du über das weißt, was du spielst, desto besser wird dein Spiel werden und umso stärker kannst du Verbindungen finden zwischen deinen realen Lebenserfahrungen und den Umständen, mit denen deine Figur zu tun hat.
Spontan einen Musiktitel und Musiker nennen zu können, der zu der Zeit wo die Geschichte spielt, gerade populär ist, trägt ungemein zur Immersion bei. Kennst du sogar den Text und weißt, worum sich das Lied dreht und welchen historischen Kontext es hat: umso besser!
Klar, das sind nur Details und oft „Kleinkram“, aber Details und Kleinkram machen leicht aus durchschnittlichen Geschichten gute oder sogar großartige Geschichten. Sie helfen eine gute Spieldynamik zu erzeugen, die auch deinen Mitspielern hilft, die du so dann vielleicht mitreißt.
Lernen durch Andere
Rollenspiel ist Teamsport und blüht erst so richtig auf, wenn man sich gegenseitig die Bälle zuspielen kann. Die Geschichte mag von der Spielleitung erdacht werden, aber alle Mitspielenden nehmen daran teil, interagieren mit den Elementen und verändern die Geschichte. Das ist der Kern dessen, was Rollenspiel ausmacht.
Rollenspiel ist persönlich und hautnah
Die Dialoge im Rollenspiel können nicht mit denen eines William Shakespeare mithalten, Actionszenen sind niemals so cool wie in einem Hollywoodblockbuster, aber Rollenspiel ist eine Sache, welche andere Medien niemals sein werden: Es ist absolut persönlich, hautnah und echt. Es ist die gemeinsame Schöpfung von dir und deinen Freunden und es gehört niemandem sonst.
Spielleiter, fürchte nicht deine Spieler!
Unterschiedliche Spieler kennen sich mit völlig unterschiedlichen Dingen aus. Manchen Spielleitern macht sowas Angst, weil sie fürchten, irgendeine Form von Vormachtstellung zu verlieren. Ich habe sogar Spielleiter getroffen, die versuchten zu kontrollieren, welche Bücher des gespielten Systems die Mitspielenden lesen dürfen. Nicht um Spoiler zu vermeiden, sondern um ein Wissensmonopol zu erhalten.
Tu dir und deinen Mitspielern sowas nicht an. Dinge die eure Spielleitung nicht weiß, fehlen in der Spielwelt. Und wenn die Spielleitung mit zu vielen Konzepten arbeitet, welche die Spielenden nicht verstehen, können sie Rätsel nicht lösen und nicht auf kluge Ideen kommen.
Moderier dich selbst
Wenn du das Wissen anderer als Chance siehst, spannende neue Dinge zu lernen, dann wird das euer Spiel bereichern. Du musst nur darauf achten, dass es den Spielfluss nicht stört.
Spring daher nicht direkt auf alles an, wo du etwas sagen könntest, wenn du glaubst eine Ungenauigkeit oder einen „Fehler“ gefunden zu haben. Der Spielfluss geht immer vor. Wenn du nicht gerade das Gefühl hast, dass das Spiel aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen, oder mangelnden Wissens auf eine Katastrophe zusteuert, sag lieber erst mal nichts.
Das gilt auch, wenn du die Spielleitung übernommen hast. Lass im Spiel lieber 5 gerade sein und erlaube einem Spieler aufgrund fehlerhafter Vorstellungen zu handeln. Zumindest solange du es irgendwie rechtfertigen kannst und es nicht seinerseits das Spiel durcheinanderbringt.
Notiert euch Kleinigkeiten und sprecht sie später an, wenn ihr ein Feedbackgespräch führt. Alternativ kannst du auch nach dem Spiel etwas mehr dazu recherchieren, einen kurzen Text dazu schreiben und ihn deinen Mitspielern per E-Mail schicken. Gleich wie du vorgehst, sei immer respektvoll und achte darauf, wie leicht man belehrend wirken kann. Fasse dich also kurz und sei so konstruktiv, wie du kannst.
Kompetenzen verteilen
In manchen Gruppen ist es so, dass einzelne Mitspieler einen gewaltigen Wissensvorsprung in bestimmten Gebieten haben. Vielleicht weiß ein Spieler ja besonders viel über Autos, Architektur, Geschichte, oder Pferde. Wenn ein Mitspieler ein besonderes Fachgebiet hat, welches im Spiel regelmäßig eine Rolle spielt, dann kann es eine gute Idee sein, diesem Mitspieler auch die Kompetenz für diese Dinge zuzugestehen.
Die Spielleitung kann sich in bestimmten Details dann von diesem Mitspieler beraten lassen oder auch mal direkt im Spiel Teile der Beschreibung an diesen Spieler auslagern. Das funktioniert natürlich dann am besten, wenn die Gruppe auch sonst einen offeneren Umgang mit Erzählrechten hat und es keine Anomalie darstellt, wenn jemand anderes als der Spielleiter Ideen und Konzepte abseits des eigenen Charakters ins Spiel einbringt.
Lerntipps, kurz und bündig
1. Lies Bücher zu Themen, die dich interessieren und irgendwas mit den Spielinhalten zu tun haben. Das können Sachbücher sein, aber auch Romane. Es kann sich um epochale Ereignisse drehen, um Kultur, um Technik, oder was sonst noch. Und schau dir doch mal Bücher aus der Zeit selbst an, wenn du in einem historischen Setting spielst! Zeitungen ebenso. Es gibt dafür Archive mit historischen Zeitungen. Zu wissen was die Menschen einer Epoche bewegte macht es leichter einen davon zu spielen.
2. Schau Filme mit Bezug zum Spielthema. Filme, die in der Zeit oder dem Genre spielen, sich mit Themen befassen, die eine Rolle in der Runde spielen, oder auch Filme aus der Zeit, in der du spielst.
3. Zeitgenössische oder besonders passende Musik hören! Dank YouTube und iTunes kannst du direkt nach Jahreszahlen suchen und direkt reinhören. Überleg dir doch, welche Songs dein Charakter besonders mag und bau dir eine Charakterplaylist, die du auf dem Weg zum Spiel hörst! Klar, das geht nicht immer. Aber öfter als man denkt. Wir haben mal eine Star-Wars-Musical-Kampagne gespielt, bei der wir einfach reale Musik benutzt haben, die irgendwie inhaltlich passen könnte.
4. Sprich mit Zeitzeugen, Fachleuten oder Bekannten, die sich mit einem Thema auskennen.
Zusammenfassung
Rollenspiele sind eine prima Gelegenheit die unterschiedlichsten Dinge zu lernen. Dazu gehört nicht mehr, als eine gesunde Neugier und die Bereitschaft eigene Wissenslücken mit spannenden Dingen zu füllen. Das Spiel profitiert davon ungemein und man selbst auch.
Beim Einbringen von Wissen wiederum ist es wichtig, darauf zu achten, dass man konstruktiv ist und den Spielfluss nicht stört. Das eigene Fachwissen einbringen zu wollen ist normal, aber je weniger es gerade tatsächlich eine Rolle spielt, desto problematischer wird es. Falls du also einen „Fehler“ bemerkst, dann verschieb den Hinweis im Zweifel auf später und das nächste Mal wissen es alle besser – nachdem ihr eine spannende Spielsitzung zu Ende spielen konntet.