Passend zu unserem 90er-Jahre Rollenspiel Krawall im Kiez kehren auch die Geschichtskrümel zurück.
Man soll es kaum glauben, aber es gab eine Welt ohne Smartphone oder überhaupt Mobiltelefone. Erst Ende der 90er Jahre bis zum Beginn des neuen Jahrtausends wurden Mobiltelefone allgemein erschwinglich und vor allem handlich. Ab 2010 kamen dann Mobiltelefone, die mit Touchbildschirm ausgestattet und internetfähig waren, der Beginn dessen, was wir heute Smartphone nennen. 2013 überstieg die Zahl der verkauften Smartphones erstmals die der herkömmlichen Mobiltelefone.
Doch was war vor Smartphone und Co? Was machte man, wenn man unterwegs dringend telefonieren musste? Entweder ging man in ein Lokal und fragte dort und zahlte die Verbindung oder suchte eine Telefonzelle auf. Eine Box mit 1qm Grundfläche, mit metallenem Telefon und direkt daneben hing in der Halterung, wenn man Glück hatte, auch das örtliche Telefonbuch. Wenn Vandalismus nicht mal wieder dafür gesorgt hatte, dass Sie zerrissen oder bekritzelt waren!
Die erst Fernsprechkiosk genannten Häuschen wurden 1881 erstmals in Berlin in Betrieb genommen und breiteten sich immer weiter aus. Ab den 1920 gehörten sie als Telefonhäuschen oder Zelle zum vertrauten Bild. Auch in Lokalen, Postämtern und anderen Örtlichkeiten gab es nun öffentliche Münzfernsprecher.
Blech beherrscht die Telefonwelt
Tja, unpraktisch. Wer kennt es nicht, man will einkaufen und einen Wagen, und was hat man nicht? Richtig, Kleingeld für den Wagen. So war das auch mit den öffentlichen Telefonen. Man brauchte Kleingeld. Hatte man nicht genug, konnte man kaum telefonieren. Rufnummernerkennung, wie wir sie heute kennen, um sich zurückrufen zu lassen, gab es noch nicht.
So kam man auf die Idee, man könnte ja Guthabenkarten einführen. Ein wenig wie heute Geschenkkarten oder Onlinestorekarten. Man kauft eine Karte für eine gewisse Summe und kann diese Summe jetzt vertelefonieren. Die ersten Feldversuche starten 1983: Zunächst waren die Karten vor allem als Ergänzung für Münzeinwurf gedacht. Insbesondere für Vielnutzer. Außerdem hoffte man, Vandalismus und Diebstahl an den Münzaufnahmebehältern zu reduzieren.
Es wurden verschiedene Systeme wie Lochkarten, Hologrammkarten, Magnetkarten und Chipkarten getestet. 1986 gewann dann die heute in zahlreichen Anwendungen verwendete Chipkarte. Kurz wurde auch diskutiert, ob mit den Karten auch andere Käufe wie Briefmarken am Automaten möglich sein sollten, schließlich gehörte das Telefonnetz noch der Bundespost mit ihrem Briefmonopol. Kurz wurde überlegt, nur zum Telefonieren nutzbare Kreditkarten wie in den USA einzuführen, was verworfen wurde.
Sammelwut überzieht das Land!
Ab 1990 gab es sie dann bundesweit zu kaufen, die Telefonkarte. Immer wieder in neuen Designs schmückten die kleinen Dinger. Und sie waren genauso groß wie eine EC-Karte. Manchmal war auch Werbung einiger Firmen aufgedruckt. Direkt entwickelten einige eine Sammelleidenschaft für die neuen Telefonkarten mit ihren ständig wechselnden Motiven.
1992 gab es bereits 200.000 Sammler in Deutschland. Die Telekom führte daraufhin einen Sammlerservice ein. Es gab mehrere Versandservices von der Telekom und der Deutschen Post. So gab es sogar eigene Motive in einem speziellen Abonnementbezug, der bis 1995 mit einem Preisaufschlag versehen war! Neben diesen speziellen Karten wurden aber auch die „normalen“ am Schalter erhältlichen Karten gesammelt.
Bald schon gab es Kataloge und Verkaufsveranstaltungen. Ähnlich dem Sammeln von Briefmarken. Viele Sammler nahmen nicht nur ein Exemplar einer Karte in ihre Sammlung, sondern verschiedene. Kontrolldaten, Druckdaten und Module einer Karte waren wichtig für die peniblen Kartenfans. Die Module waren der sichtbare Chip, der auch nummeriert war.
Es gab die verschiedensten Motive auf den Telefonkarten, die dadurch unterscheidbar und sammelbar waren. Einige dachten, damit eine Wertanlage aufbauen zu können oder wollten ihre Sammlung sogar an ihre Kinder vererben. Es erschienen neben den wechselnden Motiven auch einige Sammlereditionen mit Telefonkarten aus Glas, Papier, Metall oder Holz, die alle auch wirklich als Telefonkarte nutzbar waren.
Doch bereits Mitte der 90er Jahre brach der Sammlermarkt zusammen, Grund dafür war eine Übersättigung. Es gab schlicht genug Karten. Außerdem liefen Telefonkarten nach 3 Jahren ab und nur volle Telefonkarten waren auf dem Sammlermarkt etwas wert. So erlitt eine Vielzahl an Sammlern hohe Wert- und Kapitalverluste. Der MICHEL, einer der renommiertesten Sammlerkataloge, bezifferte die teuerste Telefonkarte auf 4000 € nach heutiger Währung.
Sicher? Aber Sicher! Sagt der Konzern.
Abschließend noch ein kleiner Funfact. Der Chip der Telefonkarten galt als sicher. 1992 konnten Schüler diesen aber knacken und nahmen an Jugend forscht teil. Sie hatten eine Möglichkeit gefunden, den Code des Mikrochips zu knacken und den Kartenwert beliebig zu ändern. Sie nannten ihr Projekt: „Das Ende der Drei-Groschen-Oper?“
Nach Gewinn des Landeswettbewerbs mussten sie den Teil der Beschreibung des Knackens aus der Langfassung streichen und nur das Entladen beschreiben. Sie wurden dennoch bundesweit Zweite und erhielten einen hoch-dotierten Sonderpreis der Telekom.