Die Brabanzonen waren erst einmal wieder in der Versenkung verschwunden oder man hatte sie in das feudale System eingebunden. 100 Jahre später läuteten die Fußtruppen dann nach und nach das Ende der Panzerreiter als dominantes Merkmal des Kriegswesens ein. Die adlige Kriegerkaste hatte ihr Monopol auf den Krieg verloren.
Courtray: Fußtruppen bezwingen die Reiterei.
Der gefürchtete „Furor Francorum“, also der nicht zu stoppende Ansturm französischer Panzerreiter, erwies sich bei der Schlacht von Courtray 1302 als nicht mehr zeitgemäß.
Ein Heer aus Bürgern und Adligen aus Flandern hatte zu Fuß mithilfe einer 600 Meter langen Phalanxformation das französische Reiterheer bezwungen. Adlige kämpften Seite an Seite mit Handwerkern, Kaufleuten und anderen Stadtbürgern. Damit standen sie nicht nur auf Augenhöhe, sondern die Adligen erklärten auch ihre Solidarität mit den Fußtruppen. Ohne Pferd ließ es sich nämlich schwer fliehen. An Rückzug war so nicht zu denken.
Geradezu moderne Kriegstaktik hatte die Schlacht entschieden. Als die französische Reiterei den Bach überquerte, rückte die Phalanx vor, gedeckt durch ausschwärmende Schützengruppen und mit einer Reserve in der Rückhand. Die siebenhundert erbeuteten goldenen Sporen besiegter feindlicher Ritter gaben der Schlacht auch den Namen „bataille des éperons d‘or“.
Courtray macht Schule
Pikenhaufen kämpften also zusammen mit Schützen. Der Adel dabei zu Fuß an der Seite der Bürgerlichen. Das wurde zunehmend zum Standard. Dabei mussten Standesvorbehalte und praktische Bedenken überwunden werden. Dass der Adel mit dem Pikenhaufen stand, war aber wichtig für die Moral. Dennoch zögerten die Adligen noch lange, sich ihrer Fluchtmöglichkeit zu berauben oder auf Augenhöhe mit „dem Fußvolk“ zu kämpfen. Noch 1431 bei Bullegneville mussten sie unter Androhung der Todesstrafe zum Absitzen gezwungen werden.
Stadt, Land, Krieg: Bürgerarmeen
Dass Courtray im reichen Flandern lag, ist nicht unbedingt Zufall. Bereits die Brabanzonen kamen von dort, und das hatte seine guten Gründe. Solche relativ hoch entwickelten Städte mit ihrer vormodernen Industrie brachten großen Wohlstand hervor. Das führte dazu, dass eine Spezialisierung stattfand und Arbeitskraft von der Lebensmittelproduktion auf den Feldern abgezogen werden konnte ins Handwerk und eben auch in den Kriegsdienst.
Die städtische Kommune des Mittelalters war schon immer auch eine Verteidigungsgemeinschaft gewesen. Die Fortentwicklung des Handels und die Gründung von Hunderten von Städten im 13. Jh. veränderten die Gesellschaftsordnung. Neben Bauern, Adel und Klerikern kam nun eine weitere soziale Schicht dazu: die Stadtbürger.
Die Pikenhaufen benötigten viele Soldaten, und im Falle der Städte kamen diese aus den Reihen ihrer Bürger. Nur waren Handwerker, Händler und andere Stadtbürger nicht die geborenen Kriegsleute. Ihre Fähigkeiten waren anderswo viel nützlicher.
Stadtbürger in die Fremde schicken? Besser nicht
Das Waffenprivileg des Stadtbürgers und das Selbstverständnis der Kommune, sich gegen außen zu verteidigen, waren ein Grundpfeiler der städtischen Gesellschaft. Ebenso war es nur natürlich, dass man in den eigenen Straßen patrouillierte.
Dahingegen war es problematisch, Soldaten in die Ferne zu schicken. Die Städte waren nicht völlig unabhängig. Sie waren ihren Landesherren und vielleicht auch dem König gegenüber als Vasallen verpflichtet, Truppen zu stellen. Entsandte man aber Handwerker und städtische Kaufleute für Monate in die Ferne, hatte das gewaltige Auswirkungen. Nicht nur brach die Produktion ein und sackte der Fernhandel ab, nein, wenn jemand verstarb, verlor man einen ausgebildeten Spezialisten und mit ihm wichtiges Know-how.
Die Lösung für die Erfüllung von Bündnispflichten und Verträgen waren Söldner. Diese waren noch bis ins 16. und 17. Jh. keine Option für den Schutz der eigenen Stadt, aber für mobile Heere in der Fremde waren sie perfekt. Die Städte mit ihrer hohen Wirtschaftskraft konnten sie gezielt anheuern, wenn sie sie brauchten – und alle, die auf dem Schlachtfeld verstarben, kamen aus der Fremde.
Der Kunde ist König
Dadurch, dass die Fußtruppen endgültig die gesamte Kriegslast trugen, mussten sie auch qualitativ an die Standards der alten Kriegerkaste heranreichen. Das war mit einer reinen Miliz nicht möglich, auch wenn sie regelmäßig trainierte.
Mit dem Bezahlen barer Münze ging darum auch die Erwartung einher, dass man professionelle Soldaten erhielt. Warum auch Profis anheuern, wenn sie nicht besser kämpfen als der Milizsoldat aus der eigenen Stadt?
Mit der zunehmenden Normalisierung des Söldnerwesens stieg darum auch die Erwartung der Auftraggeber. Söldner sollten professionelle, kriegsgewohnte Kriegsknechte sein. Es kam nun nicht mehr darauf an, nur „anwesend“ zu sein und ein Mindestmaß an Ausrüstung zu besitzen, sondern eben auch entsprechende Qualität zu bieten.
Die Antwort darauf waren im Spätmittelalter genuesische Armbruster, englische Langbogenschützen und Schweizer Pikeniere.
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„Geschichtskrümel“ ist eine wöchentlich erscheinende Serie aus Kurzartikeln. Sie soll Spielern und Spielleitern als Anregung dienen und Inspiration fürs Rollenspiel bieten. Die Geschichtskrümel drehen sich um historische Ereignisse oder Themen, über die ich in meinem Alltag stolpere. Sie sind manchmal lehrreich, manchmal skurril und manchmal einfach nur lustig.
Quellen: Baumann, Reinhard. Landsknechte. Ihre Geschichte und Kultur vom späten Mittelalter bis zum Dreißigjährigen Krieg. München, 1994.