Die Straßen von London um 1750 waren dreckig, in einem schlechten Zustand und nachts kaum beleuchtet. Erst durch das große Aufräumen am Ende des Jahrhunderts änderte sich das. Doch wie war das eigentlich, wenn man sich durch die Straßen der Weltmetropole London bewegte?
Der Verkehr
London ist ja wie fast alle Großstädte bekannt für verstopfte Straßen und die ebenso vollgestopfte Londoner U-Bahn, die Tube. Und der Lärm der Großstadt erst …
Überall Pferde, schief spielende Musikanten, schreiende Händler, johlende Kinder, Metallräder auf dem Pflaster und die Rufe der Fuhrleute auf den Karren … Ach, nein, das war ja 1750! Denn auch damals gab es Unmengen Verkehr, und laut war der auch. Nur, Autos fand man dort natürlich nicht. Was waren also für Verkehrsmittel auf den Straßen unterwegs?
Sänften – praktisch, platzsparend, regensicher
Wie wir ja wissen, war es für einen modisch gekleideten Herrn, geschweige denn eine elegante Dame, kaum möglich, die Straßen Londons zu benutzen und dabei die eigene Mode nicht zu beschmutzen.
Die Abhilfe der Wahl für den Gentleman von Welt oder eine Dame waren die verbreiteten kleinen Sänften (sedan chair), die grade groß genug waren für eine Person. Meistens hatten sie eine Tür, und im Allgemeinen konnte man das Dach hochklappen, um aufrecht hineinsteigen zu können – besonders wichtig für die Damen aufgrund ihrer unpraktischen Röcke mit Panieren und später Krinolinen – also den Reifrock-Gestellen unter den Kleidern. Die aufklappbaren Dächer waren auch wichtig, als die Mode eine Weile lang zu sehr hohen Frisuren und Perücken tendierte, die schlicht zu hoch aufragten, um in die Sänfte zu passen.
Die Träger der Sänften kannten übrigens kein Pardon gegenüber anderen Fußgängern. Sie riefen eine Warnung, und wer dann nicht aus dem Weg war, der musste damit rechnen, rüde umgerempelt zu werden. Der Vorteil war aber für den Nutzer gewaltig! Er stieg einfach in seinem Haus oder unter dem Vordach ein und ließ sich direkt bis in das Haus tragen, welches er besuchen wollte. Mit etwas Glück lag im Winter auch ein Fußwärmer bereit. Man rief sich also seine Sänfte – und alles andere erledigten die Träger.
Die Sänftenbetreiber zahlten für ihre Lizenz 5 Shilling im Jahr, und die Preise nach Tarif für einen Chair waren 2/3 der Kosten für eine Mietkutsche. Auch ein Grund, warum die Sänftenträger lautstark gegen die Erfindung des Regenschirms protestierten, denn dieser war eine neue, kostengünstige Konkurrenz, um trocken von einem Haus zum anderen zu kommen.
Kutschen
Pferdekutschen waren zwar bequem, aber deutlich unpraktischer als die wendigen Sänften. Sie brauchten breite Straßen, und die Pferde anzuspannen, dauerte seine Zeit. Zumal eine Kutsche auch viel Geld kostete. War man erst einmal im Theater oder anderswo, musste die Kutsche wiederum irgendwo parken – was ebenfalls Platz verbrauchte.
Taxikutschen (Hackney Coaches)
London ist ja berühmt für seine Taxis. Die sogenannten Hackneys, also die bekannten schwarzen Taxis. Der Name hat sich hier nicht geändert, und schon damals gab es sogenannte Hackney Coaches, benannt nach dem Londoner Bezirk Hackney.
Die Kutschenbetreiber bezahlten für ihre Lizenz 5 Shilling pro Woche. Die Kosten für die Nutzung wiederum war nach Tarif festgelegt. Bestimmte Strecken hatten vordefinierte Kosten, die man nachlesen konnte. Ansonsten waren die Kutschen auch stundenweise zu mieten. Sie kosteten für die erste Stunde 1 Shilling und 6 Pence, danach für jede weitere Stunde 1 Shilling. Oder 10 Shilling für den vollen Tag von 12 Stunden. 1711 waren bereits über 800 Lizenzen vergeben worden, wovon einige auch am Sonntag gültig waren. 1 Shilling ist übrigens ungefähr das Tagesgehalt eines Arbeiters ohne dem zusätzlichen Kostgeld für Verpflegung.
Diese „Pferdetaxis“ hatten schlechte Aufhängungen und waren oftmals weder besonders sauber, noch rochen sie gut, denn sie waren ja die ganze Zeit unterwegs. Zudem preschten die Pferde zügig über die Straßen. Wer also ins Umland fahren wollte, der sollte sich eine teurere Mietkutsche gönnen.
Mietkutschen
Ebensolche gab es nämlich auch noch. Allerdings waren die deutlich teurer! Eine Fahrt mit einer anständigen gemieteten Kutsche mit vier Pferden kostete 20 Shilling pro Tag.
Private Kutschen
Nur die Wohlhabendsten konnten sich eine eigene Kutsche leisten. Dennoch bevorzugten sie oft die Sänfte. Sogar die königlichen Herrschaften waren oft mit der Sänfte unterwegs!
Allerdings war eine eigene Kutsche auch ein Statussymbol, und eine hübsch verzierte Kutsche mit guter Federung, ein sogenannter Landauer, war ein Privileg – das 4 Pfund im Jahr an Fahrzeugsteuer kostete. Die reichsten Kutschen war golden verziert und transportierten zwei oder drei Beifahrer auf dem hinteren Trittbrett, die nur dazu da waren, mit ihren edlen Uniformen den Reichtum ihres Arbeitgebers zu demonstrieren.
Postkutschen und Pferde
Wer über Land reisen wollte oder musste, der hatte zwei Möglichkeiten: Entweder er mietete sich ein Pferd, was am schnellsten war, oder er griff auf eine Postkutsche zurück. Einigermaßen passabel gefedert, schafften die Postkutschen im besten Fall immerhin 50–60 Meilen (ca. 97 km) am Tag. Langstrecken fuhren die Kutschen ungefähr 3 mal pro Woche im Sommer und 2 mal im Winter. Kurzstrecken zu Dörfern vor der Stadt kosteten im Sommer zwischen 6 Pence und 1 Shilling.
Über Land kämpften die Postkutschen allerdings mit den schlechten Straßen, die eigentlich nur dann etwas taugten, wenn ein Privatmann oder eine Firma einen Teil der Straße instandhielten – dann kosteten sie allerdings Maut.
Fuhrwerke
Wo es Verkehr gibt, gibt es natürlich auch Verkehrshindernisse. Gerade aufgrund des miesen Zustandes der Londoner Straßen und der vielen Engstellen.
Etwas, was immer wieder für einen vollständigen Stopp auf Straßen sorgen konnte, waren Fuhrwerke. Karren mit 8 oder mehr Pferden waren schlicht zu breit, um sie zu überholen. Dazu waren sie langsam. Wo sie fuhren, da war kein Durchkommen, und es blieb einem nichts übrig, als hinterherzukriechen.
Boote
Zu guter Letzt sind da noch die Boote. Die wenigen Brücken waren stets vollgestopft, und wer die Themse kreuzen wollte, der griff oftmals auf ein Bootstaxi zurück. Die Bootsleute hatten ein Monopol auf jede Form von Transportgeschäft auf dem Fluss.
Wer Boot fahren wollte, der zahlte 4 Pence, um den Fluss „direkt“ zu queren. Für einige übliche Routen gab es Fixpreise. Von der London Bridge nach Westminster kostete es beispielsweise 6 Pence.
Die Auswahl eines Bootstaxis war ein wenig wie das Anheuern von Tagelöhnern. Alle rufen dir zu, dass du mit ihnen fahren sollst, bis du einen auswählst. Einsteigen musst du dann leider auch selbst, denn entsprechende Hilfe ist nicht Teil des Tarifangebots.
Tierische Probleme
Feinstaub! Das Problem jeder Großstadt. Auch vormoderne Städte hatten eine Menge Dreck in der Luft, gerade durch die allgegenwärtige Kohle, die ja das Brennmittel der Wahl war.
Doch ein weiteres Problem waren die gewaltigen Mengen an Dung und Tierurin! Zum einen waren da die Pferdekutschen und die Karren von Lieferanten. Es ist ja bekannt, dass Pferde sich überhaupt nicht zieren, wenn es darum geht, ihr Geschäft zu erledigen, wo auch immer sie gerade stehen.
Viehherden in der Stadt
Zum anderen kamen auch noch die Tierherden dazu, welche zu Schlachtereien getrieben wurden oder die für den Verkauf auf die Märkte gebrachten werden mussten. Vieh aus Kent musste beispielsweise die Brücke überqueren – eine Engstelle – und dann einmal durch die engen Straßen geschafft werden.
Regelmäßig entkamen dabei Tiere. Entweder durchgehende Pferde oder sogar Kühe und Stiere, die vom Weg abkamen. Die konnten natürlich eine Menge Schaden anrichten. Es ist darum kein Wunder, dass, als einmal ein Stier in die Royal Exchange kam, es zu einer veritablen Panik kam. Auch wenn das Vieh absolut nichts tat und irgendwann wieder davontrottete, bis ein Kutscher es einfing.
Die neue Straße
Darum eröffneten die reichen Herrschaften 1756 eine Umgehungsstraße für die Viehtreiber, damit sie endlich Oxford Street in Ruhe lassen würden, sodass die guten Herrschaften dort flanieren konnten.
Diese neue Straße war 40 Fuß (ca. 12 m) breit, ungepflastert und damit bestens fürs Viehtreiben geeignet. Leider hatte sie einen gewaltigen Fehler: Sie kostete Maut. 5 Pence pro 20 Ochsen und 2,5 Pence für kleineres Vieh wie Schafe. Wann immer sie deshalb konnten, ignorierten die Viehtreiber und Fuhrleute diese extra errichtete Route und nutzten die kostenlosen Wege durch die Stadt.
Hunde
Das Problem streunender Hunde ist ja bereits aus dem Mittelalter bekannt, wo der Abdecker und Hundeschläger eine klassisch städtische Berufsgruppe war, und manchmal mit dem Henker zusammenfie. In London war die Hundeplage ein stetes Auf und Ab. Irgendwann waren die Straßenhunde überall, und irgendjemand wurde gebissen. Dann gab es eine hysterische Aktion, die frei laufenden Hunde zu töten. Danach begann der Zyklus von vorne.
Ein wenig Grün in der Großstadt.
Dass der Straßenbelag nichts taugte, das wissen wir ja schon. Doch immerhin konnte man sich im Zweifel vom Marsch auf den Schmutzpisten im Schatten der Ulmen ausruhen, welche die meisten Plätze der Stadt säumten. Zusammen mit den Weiden waren die Ulmen die Bäume der Wahl. Warum? Na klar, sie ertragen den Kohlestaub aus den heimischen Feuern, der die Stadt bedeckte, am besten! Außerdem spenden sie viel Schatten und tragen ihre Blätter bis in den späten Herbst.
Darum ruhen wir uns nun ein wenig unter den Ulmen aus, bis es in einer Woche mit dem nächsten Teil weitergeht.
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„Geschichtskrümel“ ist eine wöchentlich erscheinende Serie aus Kurzartikeln. Sie soll Autoren, Spielern und Spielleitern als Anregung dienen und Inspiration fürs Rollenspiel oder Geschichten bieten. Die Geschichtskrümel drehen sich um historische Ereignisse oder Themen, über die ich in meinem Alltag stolpere. Sie sind manchmal lehrreich, manchmal skurril und manchmal einfach nur lustig.
Quellen:
- Mortimer, Ian. The Time Traveller’s Guide to Medieval England. A Handbook for Visitors to the Fourteenth Century. London, 2009.
- Picard, Liza. Dr. Johnsons London. Everyday Life in London 1740–1770. London, 2003.