In Neuengland, dem nordöstlichsten Zipfel der heutigen USA, war das Leben im ausgehenden 17. Jahrhundert anstrengend und von der dörflichen Gemeinschaft geprägt. Die puritanischen Auswanderer, welche das Land besiedelt hatten, strebten nach einer gottgefälligen und freien Lebensweise. Große Städte, für welche die USA heute berühmt sind, spielten noch lange keine Rolle.
Das Zentrum des dörflichen Lebens von Ipswich, das ich hier beispielhaft anführen möchte, war das meeting house. Auf einer Grasfläche gelegen, war es das soziale, politische und religiöse Zentrum der Siedlung. In seiner schmucklosen und sprichwörtlich puritanischen Form symbolisierte es die Lebensvorstellung der puritanischen Bevölkerung.
Nun könnte man meinen, dass diese öffentliche Grünfläche ein Ort der Ruhe und der Zusammenkunft wäre, wo man hinströmt, um gut gekleidet, um Gottesdienst einzukehren. Dieses idyllische Bild wird allerdings gestört von der Realität: Das Land rund um das meeting house ist der Fokuspunkt des sozialen Lebens. Damit einher geht auch Verkehr, der auch schon in der Frühen Neuzeit eine Rolle spielte. Mit Pferdemist verunreinigt und von Karrenspuren zerfurcht, wird die grüne Oase ein Ort des alltäglichen Lebens, wo auch schon einmal Tiere im „Pound“ untergebracht waren.
Dazu kommt eine andere Seite des dörflichen Lebens, das in Neuengland stark von der Gemeinschaft und auch zuweilen von den dörflichen Autoritäten geprägt wurde. Auf dem Weg zum Gottesdienst führte einen der Weg vorbei am Gefängnis, dem Wachhaus und natürlich dem Symbol richterlicher Autorität und wichtigsten Strafinstrument überhaupt: dem Prangerpfahl, der für Stockschläge und Auspeitschung benutzt wurde.
In dieser stark reglementierten Gesellschaft, welche die Sünde als gegeben ansah, fiel es schließlich den Richtern und den Dorfältesten zu, die öffentliche Moral zu schützen und die Regeln durchzusetzen. Die Strafen konnten drakonisch sein. So musste für das Vergehen der „Fornikation“ (Unzucht) mit dem Tod gerechnet werden.
Allerdings wurde diese Anklage nur selten überhaupt erhoben, denn jedem war die drastische Konsequenz bewusst, wenn so ein Vorwurf vorgebracht wurde. Die Wahrheit musste deshalb oft hinter dem Dorffrieden zurückstehen. Meistens blieb es bei harmloseren Anklagen, welche dann eben mit der Auspeitschung oder Stockschlägen bestraft wurden.
„Geschichtskrümel“ ist eine wöchentlich erscheinende Serie aus Kurzartikeln. Die Geschichtskrümel drehen sich um historische Ereignisse oder Themen, über die ich in meinem Alltag stolpere. Sie sind manchmal lehrreich, manchmal skurril und manchmal einfach nur lustig.
Quelle: Ulrich, Laurel Thatcher: Good Wives. Image and Reality in the Lives of Women in Northern New England 1650–1750.Vintage Books: New York, 1991 (1980), S. 53–55.